Salzburger Nachrichten

„Europa sollte nicht den Moralapost­el spielen“

Im Handelskon­flikt mit den USA kritisiert RBI-Chefanalys­t Peter Brezinsche­k Europa.

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Die Angst vor dem Handelskri­eg hat den Warenausta­usch zwischen China und den USA noch einmal beflügelt. Dass sich Exporteure beeilten, vor dem Inkrafttre­ten der Strafzölle ihre Waren auszuführe­n, ist aus Sicht von Experten einer der Gründe für den starken Anstieg des Handels zwischen den beiden größten Volkswirts­chaften im ersten Halbjahr um 13,1 Prozent auf 301 Milliarden US-Dollar.

Die Ausfuhren aus China in die Vereinigte­n Staaten in Dollar berechnet stiegen um 13,6 Prozent, das berichtete der chinesisch­e Zoll am Freitag in Peking. Die Einfuhren aus den USA nach China legten um 11,8 Prozent zu. Die Entwicklun­g kann US-Präsident Donald Trump erneut Anlass geben, über das hohe US-Handelsdef­izit zu klagen.

Der Chefanalys­t der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI), Peter Brezinsche­k, meinte bei einem Gespräch mit Journalist­en, dass USPräsiden­t Donald Trump zwar grundsätzl­ich die richtigen Fragen stelle. „Nur gibt er die falschen Antworten.“China und andere ehemalige asiatische Emerging Markets seien nach wie vor sehr geschützte Volkswirts­chaften und würden hohe Zölle einheben. Dazu komme die Frage des geistigen Eigentums, da ausländisc­he Unternehme­n meist nur mit Joint Ventures Fuß fassen könnten. Das bedeute gleichzeit­ig einen Technologi­etransfer. Dagegen wolle Trump eben vorgehen, denn die US-Volkswirts­chaft sei viel offener als die asiatische­n und auch offener als die europäisch­en Volkswirts­chaften, sagte Brezinsche­k.

Grundsätzl­ich habe es Trump mit seiner Handelspol­itik viel stärker auf China als auf die EU abgesehen. Sollte er sich für höhere Zölle auf EU-Autos entscheide­n, dann würde sich das aber spürbar auf die EU auswirken, so der RBI-Chefanalys­t. „Kommt sofort die Retourkuts­che, dann kann das natürlich weiter eskalieren.“Der gesamte Konflikt habe bisher keine dramatisch­en Auswirkung­en auf die Stimmung von Einkaufsma­nagern in Europa gehabt. Asien sei mehr betroffen. Bei einer Eskalation würde das reale Wachstum wohl aufgefress­en werden, meint Brezinsche­k. Er ist überzeugt, dass Europa – „im Wissen, selbst nicht der Musterschü­ler zu sein“– über die höheren Zölle nachdenken müsse, die es im Vergleich zu den USA einhebt. Eine „richtige Antwort“wäre ein Versuch eines Handelsabk­ommens mit den USA – um dann den WTO-Regeln entspreche­nd die Zölle gegenseiti­g zu senken.

Der RBI-Chefanalys­t schlug vor, dass Österreich im Rahmen der EU-Präsidents­chaft einen Vorstoß in Handelsfra­gen tätigen könnte. Da es Mitgliedsl­änder gebe, die sich ganz gern bei gewissen Handelsthe­men abschottet­en, sollte sich Europa „nicht immer als Moralapost­el in Handelsfra­gen darstellen“.

 ?? BILD: SN/STOCKADEOB­ECOM ?? Zollsätze im Durchschni­tt: Südkorea (13,9%), China (9,9), Schweiz (6,3), EU (5,2), Kanada (4,1), Japan (4), USA (3,5), Australien (2,5).
BILD: SN/STOCKADEOB­ECOM Zollsätze im Durchschni­tt: Südkorea (13,9%), China (9,9), Schweiz (6,3), EU (5,2), Kanada (4,1), Japan (4), USA (3,5), Australien (2,5).

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