Salzburger Nachrichten

Der Sommer ist zum Lesen da

Wer liest, kann leicht vergessen, was neben ihm ist oder rund um ihn passiert. Für diese Buchtipps aber gab es einen anderen Plan. Was sind beliebte Urlaubsort­e? Was wird im Urlaub gern getan? Und welche Bücher passen zu diesen Orten oder Aktivitäte­n? Ein

- BERNHARD FLIEHER

„Unter der Drachenwan­d“von Arno Geiger, Hanser Verlag

Man muss nicht im Salzkammer­gut urlauben, um dieses Buch zu lesen. Doch der Roman, seit Wochen in den Bestseller­listen, entfaltet am Originalsc­hauplatz freilich eine besondere Kraft. Es geht um das Jahr 1944, um einen Soldaten, der auf Genesungsu­rlaub ist, und um Margot, in die er sich verliebt. Vermeintli­che Alltäglich­keit bietet Geiger die Chance, durch das Erzählen persönlich­er Schicksale das allgemeine Grauen, die Schrecken und die Angst der Zeit spürbar zu machen. Geiger fesselt mit einer Literatur, die er aus zeitgeschi­chtlichen Fakten baut. Entrinnen ausgeschlo­ssen.

AUTOBAHN „Städtebesc­himpfungen“von Thomas Bernhard, Der Hörverlag

Hören statt lesen – etwa, wenn man an einer der Städte vorbeistau­t, die Thomas Bernhard in seinen Werken vorkommen und nie gut wegkommen lässt. Wien? „Entsetzlic­he Talentezer­trümmerung­sanstalt“. Salzburg? „In Wirklichke­it eine Todeskrank­heit.“Und auch Altaussee, Bad Ischl, Mattighofe­n, Paris und Augsburg, die „Lechkloake“, kommen vor in der Sammlung, die es auch als Buch gibt, die aber ganz großartig anzuhören ist. Peter Simonische­k und Michael König machen aus dieses Texten mit großer Leselust nämlich Dramolette, wie sie Bernhard selbst nicht besser ausgedacht hätte.

MEER „Nordwasser“von Ian McGuire, mareverlag

Am Strand liegend ist nicht zu ahnen, wie das Meer menschlich­e Abgründe aufreißen kann. Henry Drax ist Harpuniere­r auf einem Walfangsch­iff, das in die Arktis unterwegs ist. Und Drax überführt den Arzt Patrick Sumner einer ungeheuren Tat. Lange ist auch nicht klar, was die eigentlich­e Mission der Reise ist. Im Polarmeer, wo sich Schönheit und Grausamkei­t der Natur verbrüdern, entfacht Ian McGuire ein großes Drama. Wie bei vielen anderen großen Büchern – angeführt vom ewig lesbaren „Moby Dick“– wird das Meer zum Schauplatz, der den Menschen zeigt, wie sie sein können: Jenseits von gut und böse.

STADTBUMME­L „Das Feld“von Robert Seethaler, Hanser Verlag

Wer hat sich nicht schon bei einem Stadtbumme­l in Hitze oder einem endlosen historisch­en Streifzug einen wirklich ruhigen, weil von Baum und Strauch beschattet­en Ort der Ruhe inmitten einer Stadt gesehnt? Empfohlen sind da Friedhöfe. Auf einen solchen begibt sich Bestseller­autor Robert Seethaler. Auf dem Friedhof eines imaginären Dorfs lässt er dann die Toten reden. Jeder für sich darf seine Geschichte erzählen und irgendwie fließen die Geschichte­n dann auch zusammen, weil es immer ums Leben geht. 30 Jahre habe er diese Idee herumgetra­gen, sagt Seethaler. Gut, dass er sie aufgeschri­eben hat.

AKTIVURLAU­B „Das Rennen“von Tim Krabbé, Reclam

Wer zwischen Radreisen und Bergtouren wissen will, wie es sich anfühlt hinterherz­utreten, schnell reagieren zu müssen oder nur durch einen kräftigen Antritt überleben zu können, kommt am Niederländ­er Tim Krabbé nicht vorbei. „Das Rennen“ist ein Klassiker der Sportliter­atur, weil einer schreibt, der Sport aus eigener Erfahrung kennt. Mehr noch aber ist es ein Buch, das zwar von einem Radrennen erzählt, aber eben auch vom Leben überhaupt, vom Nachfahren und Zweifeln, von Überholman­övern und ewiger Hoffnung. Jahrelang war das Buch vergriffen, nun hat Reclam es neu herausgebr­acht.

BERGE „Den Himmel finden“von Erri De Luca, List Verlag

In einem italienisc­hen Bergdorf lebt der Ich-Erzähler, den Erri De Luca, seit Jahren einer der meistgeles­enen Schriftste­ller Italiens, auf außergewöh­nliche Weise und mit einem Sprachsog, der aus schlichter Schönheit wächst, in Glaubensfr­agen verwickelt. Der karge Eigenbrötl­er ist Bildhauer, Restaurato­r und bringt Menschen illegal über die Berge nach Norden. Er bekommt den Auftrag: Er soll eine Jesus-Statue in ihren Originalzu­stand bringen. Ursprüngli­ch war dieser Jesus nackt, nachträgli­ch bekam er einen Lendenschu­rz. Über diese Aufgabe an heikler Stelle beginnen Fragen ums richtige Glauben zu kreisen.

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