Obama sprach zu Ehren Mandelas
15.000 Menschen versammelten sich anlässlich des 100. Geburtstages des Freiheitskämpfers. Prominenter Redner war Barack Obama.
Für etwas mehr als eine Stunde war der ehemalige US-Präsident Barack Obama am Mittwoch wortgewaltig zurück auf der Weltbühne: Anlässlich der Feier zum 100. Geburtstag von Nelson Mandela hielt er im Wanderers Stadium von Johannesburg eine Ansprache vor rund 15.000 Zuhörern. Unter den Rednern waren auch die Witwe von Mandela, der 2013 gestorben ist, sowie Südafrikas amtierender Präsident Cyril Ramaphosa. Auch der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan war unter Obamas Zuhörern.
An einem klaren Wintertag im Mai 1994 donnerte das Geschwader der südafrikanischen Luftwaffe im Tiefflug über die Hügel von Pretoria. Als die Maschinen den Regierungssitz erreichten, wippten die weißen Piloten für einen kurzen Moment mit den Flügeln ihrer Kampfjets. Sie grüßten ihren dort gerade vereidigten neuen Oberbefehlshaber: Nelson Mandela. Die gleichen Piloten, die in den langen Jahren der Apartheid die Widerstandskämpfer seines Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in den Nachbarstaaten bombardiert hatten, schworen dem ersten schwarzen Präsidenten von Südafrika nun ihre Treue und Loyalität.
Jedem, der das Manöver am Himmel über Pretoria verfolgte, war seine Bedeutung bewusst: Mehr als alles andere symbolisierten die zum Gruß geneigten Tragflächen den Moment, in dem die weiße Minderheit nach fast 350 Jahren ihre Macht in schwarze Hände legte. Es war der Höhepunkt im langen, ereignisreichen Leben des Nelson Mandela, der am Mittwoch 100 Jahre alt geworden wäre und aus diesem Anlass nun weltweit noch einmal für seine große Lebensleistung geehrt wird.
Um Mandelas Strahlkraft besser zu verstehen, muss man weit zurückgehen: In die sonnenverbrannten Hügel der Transkei im Südosten von Südafrika, wo er am 18. Juli 1918 in den Madiba-Clan hineingeboren und im Dezember 2013 beigesetzt wurde. Mandela ist neun, als sein Vater, ein angesehener, aber zutiefst traditioneller Dorfchef stirbt und Häuptling Jongintaba, ein Onkel der Familie, ihn an den Königssitz der Thembu holt.
Es sind prägende Jahre: Mandelas tadellose Manieren, sein immer würdevolles Auftreten haben ihren Ursprung in dieser adligen Herkunft. Sie sind Ausdruck einer angeborenen Autorität, um die er wusste und die ihm über die Jahre der Gefangenschaft hinweggeholfen hat.
Der Besuch der Missionsschule Clarkebury School und der Universität Fort Hare eröffnen dem Landjungen Mandela eine neue Welt: Unter seinen Mitschülern sind junge Männer aus weit entfernten Landesteilen. Zum ersten Mal schließt er hier Freundschaft mit Menschen jenseits der eigenen Stammesgruppe. Seine Erfahrungen mit Weißen sind über lange Zeit mehrheitlich gute, was ihn nachhaltig prägt.
In Johannesburg arbeitet er zunächst als Nachtwächter in den Goldminen, nach dem Jurastudium dann als Anwalt. 1952 eröffnet er die erste von Schwarzen geführte Kanzlei des Landes. Noch hat die Politik Mandela nicht im Griff: Er ist ein junger Township-Dandy, der gern tanzt und boxt. Als Anwalt gerät er aber immer öfter mit der Rassenpolitik in Konflikt. Langsam driftet er in den Widerstand.
Mit dem Ende der Kolonialherrschaft im übrigen Afrika Anfang der 1960er-Jahre gerät der Apartheidstaat zunehmend unter Druck und versucht, die schwarze Opposition zu zerschlagen. Mandela ist seit Jahren im ANC engagiert und unterstützt dessen bewaffneten Kampf. Als Anschlagspläne auffliegen, wird er des Hochverrats angeklagt und 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt. Auf der Sträflingsinsel Robben Island beginnt die härteste Prüfung seines Lebens – und doch werden die 27 Jahre die Grundlage für den „Mythos Mandela“legen.
Fast 30 Jahre vergehen, bis Nelson Mandela seinen Traum eines freien Südafrikas in die Tat umsetzen kann. Der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa führt zur Wende. Am 11. Februar 1990 wird der berühmteste politische Gefangene der Welt in die Freiheit entlassen. Auch sein ANC wird zeitgleich wieder zugelassen und alle politischen Gefangenen werden auf freien Fuß gesetzt. Am Kap beginnt eine neue Zeitrechnung.
Als Staatschef bündelt Mandela nicht nur die Hoffnungen der Schwarzen, sondern zieht auch immer mehr Weiße auf seine Seite. Verantwortlich dafür sind seine Versöhnungspolitik und ein untrügliches Gespür für große Gesten: So besucht er die Witwe des Apartheidarchitekten Hendrik Verwoerd zum Tee und sammelt das ganze Land zur Rugby-WM 1995 hinter dem weißen Team der Springböcke.
Doch schneller als erwartet verpufft die Euphorie im politischen Alltag. Sie weicht der tiefen Ernüchterung. Kaum fünf Jahre nach seinem Tod ist sein Erbe mehr denn je gefährdet: Vieles deutet darauf hin, dass Südafrika beim Aufbau seiner Demokratie scheitern wird. Der schleichende Niedergang hat sich unter dem korrupten, im Februar vorzeitig abgelösten, Präsidenten Jacob Zuma stark beschleunigt: Unter ihm ist Südafrikas junge Demokratie ausgehöhlt und das Land zu einem Selbstbedienungsladen des ANC geworden. Leicht wird die Wende nicht werden. Denn ein zweiter Mandela ist nirgendwo in Sicht.