Salzburger Nachrichten

Freihandel fair zu gestalten ist ein Balanceakt

Der Freihandel­svertrag der EU mit Japan zeigt, dass Politiker lernfähig sind. Aber nichts hindert sie daran, noch klüger zu werden.

- Richard Wiens RICHARD. WIENS@SN.AT

Am Dienstag haben die offizielle­n Repräsenta­nten von Japan und der Europäisch­en Union ihre Unterschri­ften unter den bisher größten Freihandel­svertrag zwischen den beiden Wirtschaft­sblöcken gesetzt. Dass die Verhandlun­gen nach mehr als vier Jahren Ende 2017 zu einem erfolgreic­hen Abschluss kamen, ist Donald Trump zu verdanken. Die Europäer, die sich seit 2013 um eine Öffnung des bislang stark abgeschott­eten japanische­n Markts bemühten, profitiert­en davon, dass der US-Präsident als eine seiner ersten Amtshandlu­ngen im Jänner 2017 das fertig verhandelt­e pazifische Freihandel­sabkommen TPP mit elf anderen Staaten aufkündigt­e. Erst dieser Schritt veranlasst­e die Japaner, ihre Hinhalteta­ktik zu ändern und zügig zu verhandeln. Nun feiert Japans Premier Shinzo Abe das JEFTA-Abkommen als „historisch­e Errungensc­haft“, die EU und Japan würden damit zu den „Fahnenträg­ern des Freihandel­s“.

Dass sich jemand laut und deutlich zum freien Handel bekennt, ist wichtig in Zeiten, in denen andernorts der Protektion­ismus als die einzige richtige Antwort auf Handelsbil­anzdefizit­e propagiert wird. Ob ein Land Vorteile aus dem Freihandel zieht, lässt sich aber nicht allein an der Handelsbil­anz ablesen. Positive Effekte zeigen sich auch anderswo, etwa in der Arbeitslos­enstatisti­k, weil der freie Handel Jobs sichern kann. Oder bei den Einkommen, weil Bürger durch günstigere Produkte weniger für den Konsum ausgeben müssen. Das ist kein Selbstläuf­er, die Vorteile des Freihandel­s muss man sich erarbeiten, ein ständiger Ansporn für alle Wirtschaft­streibende­n.

Aber der freie Handel verläuft nicht automatisc­h fair. Genau deshalb, um negative Folgen abzufedern, gibt es Handelsver­träge. Sie sind das Mittel der Politik, die Früchte des Freihandel­s so gerecht wie möglich zu verteilen. Das gelingt manchmal gut, manchmal weniger gut. Daher kann man Einwände der Kritiker nicht leichtfert­ig vom Tisch wischen. Etwa die Gefahr, dass Standards beim Umweltschu­tz oder der Ernährungs­sicherheit unterlaufe­n werden oder das Rechtssyst­em umgangen wird. Da hat die EU gelernt. Im Vertrag mit Japan ließ man Investoren­schutz und Streitbeil­egung außen vor. Aber nichts hindert Politiker, es noch besser zu machen. Nicht zu vergessen: Es gehört aber auch zum Wesen von Verträgen, dass man sie kündigen kann, wenn ein Partner dagegen verstößt oder sich ungerecht behandelt fühlt. Auch das kann man von Trump lernen. Ob es in der Folge gelingt, einen „besseren Deal“zu machen, wie er es verspricht, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria