„Mythos, Mozart, Wunderkind“
Ein Jahr Sebastian Kurz an der ÖVP-Spitze: Ein Buch lobt vor allem sein Marketingtalent.
Vor einem Jahr – Anfang Juli 2017 – wurde Sebastian Kurz zum neuen Obmann der ÖVP gewählt. Seither ist viel passiert. So viel, dass über das erste Jahr von Kurz an der Parteispitze nun sogar ein Buch erschienen ist.
Als Herausgeber fungiert die Politische Akademie der ÖVP, eine objektive Beurteilung darf man sich von dem Buch also nicht erwarten. Zwar kommen nicht nur Kurz-Anhänger, sondern auch Vertreter des gegnerischen Lagers zu Wort. Aber erstaunlicherweise ist zwischen den Analysen von Anhängern und Gegnern kaum ein Unterschied zu bemerken. Der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina zum Beispiel ist voll des Lobes für die PR-Fähigkeiten von Kurz. „Österreich erlebt das erfolgreichste politische Marketingprojekt der letzten Jahre“, schreibt der einstige Pressechef von SPÖ-Kanzler Viktor Klima. Er schildert das gekonnte Doppelpass-Spiel zwischen Kurz und dem Zeitungsboulevard, der den ÖVP-Chef zum „Mythos“und zum „Polit-Mozart“stilisiere. Und Kalina lobt, wie Kurz es verstehe, seine Botschaften knapp, verständlich und beharrlich zu verbreiten.
Der Journalist Michael Fleischhacker (Servus TV) nennt den ÖVPObmann gar „das Wunderkind der österreichischen Nachkriegspolitik: wie Bruno Kreisky, nur jung; wie Jörg Haider, nur nicht böse“. Und Fleischhacker liefert den Hinweis: „Vielleicht ist Kurz am ehesten als Hybridwesen zwischen Wolfgang Schüssel und Karl-Heinz Grasser zu verstehen.“Offensichtlich ist damit gemeint, Kurz habe von Schüssel den Zug zum politischen Tor und von Grasser den Hang zur Selbstvermarktung.
Der Politikberater Thomas Hofer sieht im ÖVP-Chef einen exzellenten Verbreiter von politischen „Erzählungen“. So habe es Kurz sogar geschafft, die „alte Tante“ÖVP im Wahlkampf mit dem Spruch „Zeit für Neues“auf Platz eins zu führen, wundert sich Hofer. Ziemlich viel ist in dem Buch also über die Marketingfähigkeiten von Kurz zu lesen. Auch der Philosoph Konrad Paul Liessmann antwortet auf die Frage, was neu sei an der „neuen Volkspartei“, mit mildem Spott:
„Als neu wahrgenommen habe ich natürlich die Marketingstrategie.“Und Liessmann weiter: „Wenn man heute etwas verkaufen will, und sei es noch das Älteste, muss man ,Neo‘ davor schreiben, also ,neu‘ – ,neue ÖVP‘, ,neuer Stil‘. Man kann immer das Gleiche sagen, aber es muss ,neu‘ davor stehen.“