Die Sache mit den „guten“und den „schlechten“Zuwanderern
Was wären das französische, das englische und das belgische Fußball-Team ohne die Kinder von Einwanderern? Erfolglos.
Fußball hat das Potenzial, das Gute und das Schlechte in Menschen hervorzulocken. Das Schlechte – Ausschreitungen von Hooligans – blieb der WM in Russland erspart. Möglicherweise, weil ausländische Rowdys einfach keine Einreisevisa für Russland erhielten und die Rädelsführer russischer Hooligangruppen schon vor der WM Besuch von der Polizei hatten, die Wohlverhalten einforderte. Das Gute sieht man allenthalben, wo Fans begeistert die Daumen halten, singen, Fahnen schwenken und im Überschwang feiern.
Wenn das Team einer Nation gewinnt, dann schlägt das rasch um in zusätzlichen Nationalstolz, der freilich sehr selektiv reagiert. Wir kennen das ja: Wenn unsere Fußballtreter gewinnen, dann haben „wir“das andere Team geschlagen, wenn sie verlieren, dann sind „sie“untergegangen.
Ganz besonders heftig feierten Franzosen, Engländer und Belgier „ihre“Teams. Gleich nach dem Nationalfeiertag Weltmeister zu werden, das befeuert den Stolz fast aller Franzosen auf ihre Grande Nation. In einer Zeit, in der in Frankreich so wie in vielen europäischen Ländern die Stimmung der Öffentlichkeit sich teils sehr stark gegen jede Zuwanderung wendet. In einer Zeit, da die britische Regierung dabei ist, „ihr Land zurückzugewinnen“. In einer Zeit, da ein Teil des politischen Spektrums nationale Identität mit Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit verwechselt.
Es wäre schon interessant zu wissen, wie flämische Nationalisten in Belgien, Rechtsextreme wie Marine Le Pen und Europhobe (das sind Leute, die Angst vor Europa haben) wie Boris Johnson mit der Tatsache leben, dass drei der vier erfolgreichsten Teams dieser WM ohne die Kinder von Zuwanderern ziemlich schwach ausgesehen und weit weniger Erfolg gehabt hätten. Immerhin wurden zwei der drei französischen Tore im Finale von Spielern ge- schossen, deren Eltern aus Kamerun und Guinea eingewandert sind. Das belgische Team stützte sich massiv auf Romelu Lukaku, dessen Eltern aus dem Kongo stammen. Und auch bei den Engländern hat Zuwanderung jenen Genpool ins Land gebracht, aus dem Gareth Southgate Talente schöpft. Und selbst das Schweizer Team stützt sich auf Spieler mit albanischem Hintergrund.
Die Gleichzeitigkeit von Angst vor Flüchtlingen und Migranten einerseits und dem Stolz auf „unsere“Spieler mit Migrationshintergrund entlarvt bemerkenswerte Doppelzüngigkeit: Fremde sind in Europa willkommen, wenn sie entweder viel Geld haben, besonders schön singen oder einen Sport auf Weltklasseniveau betreiben, wie zum Beispiel Fußball. Nicht aber, wenn sie um Hilfe bitten oder hier ein menschenwürdiges Leben leben wollen.