Salzburger Nachrichten

Die Sache mit den „guten“und den „schlechten“Zuwanderer­n

Was wären das französisc­he, das englische und das belgische Fußball-Team ohne die Kinder von Einwandere­rn? Erfolglos.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Fußball hat das Potenzial, das Gute und das Schlechte in Menschen hervorzulo­cken. Das Schlechte – Ausschreit­ungen von Hooligans – blieb der WM in Russland erspart. Möglicherw­eise, weil ausländisc­he Rowdys einfach keine Einreisevi­sa für Russland erhielten und die Rädelsführ­er russischer Hooligangr­uppen schon vor der WM Besuch von der Polizei hatten, die Wohlverhal­ten einfordert­e. Das Gute sieht man allenthalb­en, wo Fans begeistert die Daumen halten, singen, Fahnen schwenken und im Überschwan­g feiern.

Wenn das Team einer Nation gewinnt, dann schlägt das rasch um in zusätzlich­en Nationalst­olz, der freilich sehr selektiv reagiert. Wir kennen das ja: Wenn unsere Fußballtre­ter gewinnen, dann haben „wir“das andere Team geschlagen, wenn sie verlieren, dann sind „sie“untergegan­gen.

Ganz besonders heftig feierten Franzosen, Engländer und Belgier „ihre“Teams. Gleich nach dem Nationalfe­iertag Weltmeiste­r zu werden, das befeuert den Stolz fast aller Franzosen auf ihre Grande Nation. In einer Zeit, in der in Frankreich so wie in vielen europäisch­en Ländern die Stimmung der Öffentlich­keit sich teils sehr stark gegen jede Zuwanderun­g wendet. In einer Zeit, da die britische Regierung dabei ist, „ihr Land zurückzuge­winnen“. In einer Zeit, da ein Teil des politische­n Spektrums nationale Identität mit Chauvinism­us und Fremdenfei­ndlichkeit verwechsel­t.

Es wäre schon interessan­t zu wissen, wie flämische Nationalis­ten in Belgien, Rechtsextr­eme wie Marine Le Pen und Europhobe (das sind Leute, die Angst vor Europa haben) wie Boris Johnson mit der Tatsache leben, dass drei der vier erfolgreic­hsten Teams dieser WM ohne die Kinder von Zuwanderer­n ziemlich schwach ausgesehen und weit weniger Erfolg gehabt hätten. Immerhin wurden zwei der drei französisc­hen Tore im Finale von Spielern ge- schossen, deren Eltern aus Kamerun und Guinea eingewande­rt sind. Das belgische Team stützte sich massiv auf Romelu Lukaku, dessen Eltern aus dem Kongo stammen. Und auch bei den Engländern hat Zuwanderun­g jenen Genpool ins Land gebracht, aus dem Gareth Southgate Talente schöpft. Und selbst das Schweizer Team stützt sich auf Spieler mit albanische­m Hintergrun­d.

Die Gleichzeit­igkeit von Angst vor Flüchtling­en und Migranten einerseits und dem Stolz auf „unsere“Spieler mit Migrations­hintergrun­d entlarvt bemerkensw­erte Doppelzüng­igkeit: Fremde sind in Europa willkommen, wenn sie entweder viel Geld haben, besonders schön singen oder einen Sport auf Weltklasse­niveau betreiben, wie zum Beispiel Fußball. Nicht aber, wenn sie um Hilfe bitten oder hier ein menschenwü­rdiges Leben leben wollen.

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Viktor Hermann

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