In den Tiefen des Ich schürfen
Das Weltall dient Hubert Scheibl als Inspiration, aber auch biologische Vorgänge wie die Zellteilung. In Salzburg und Hallein hinterlässt der Künstler im Sommer deutliche Spuren.
HALLEIN. Ausgerechnet Silber, die Unfarbe. Eine wolkige Fläche macht sich breit, drängt die satten Farben rundum an den Rand und schafft sich Raum. „Das hat etwas Kosmisches“, sagt die Kuratorin Margit Zuckriegl über die zwillingshaften Ölgemälde „Nicotine on Silverscreen“von Hubert Scheibl. Die beiden Ölgemälde dominieren einen der drei Ausstellungsräume in der Galerie Schloss Wiespach, die im Zeichen des großen österreichischen Künstlers stehen.
„Meine Idee war, ein paradoxes Element einzubauen“, erläutert Scheibl. „Die Silberfarbe reflektiert das Raumlicht.“Der Raum, genauer: der Weltraum, stellt für den 66-Jährigen eine Inspirationsquelle dar – zumindest die Art und Weise, wie er in legendären Science-Fiction-Filmen dargestellt wird. „Ich habe Angst, Dave!“, so betitelte er 2009 eines seiner legendären Kratzbilder. Das Zitat stammt aus dem Film „2001“– einem erklärten Lieblingsfilm des gebürtigen Gmundners. Der Computer Hal versucht, ein zutiefst menschliches Gefühl zu simulieren. Genau dieses Bewusstsein aber unterscheide den Menschen von allen anderen Daseinsformen: „Viele meiner Arbeiten sind daher auch kleine Löcher in der Realität.“
Derzeit ist Salzburg Hubert Scheibls Arbeitsplatz. Er unterrichtet auf der Festung Hohensalzburg prozessuales Malen. Und die Realität, die er in dieser Stadt wenige Tage vor Festspielbeginn antreffe, sei eine andere als in seiner Wiener Wahlheimat. „Erst gestern habe ich eine Opernregisseurin hier getroffen. Diese Begegnungen hier mit anderen Künstlern sind großartig.“In den knapp zwei Wochen, die er an der Sommerakademie für Bildende Kunst unterrichtet, hat das eigene Schaffen Sommerpause. Die Arbeit mit 36 Schülern nimmt seine ganze Konzentration in Anspruch.
Wer in Hubert Scheibls jüngeres Schaffen eintauchen will, der muss sich in Hallein zwischen Industrie und Freibad den Weg ins knapp 600 Jahre alte Schloss Wiespach bahnen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat der kunstsinnige Schlossherr Claus Spruzina dort eine Galerie eingerichtet, die auch Künstlerateliers umfasst. Das kleine, feine Ausstellungsprogramm verantwortet Margit Zuckriegl. Sie hat gemeinsam mit Scheibl die 23 Werke ausgewählt, die allesamt in den vergangenen neun Jahren entstanden sind.
Der Blick fällt zunächst auf die wuchtigen Ölbilder, ob vier Vertreter der Werkgruppe „Nicotine on Silverscreen“oder das leichtfüßige „Desastres-B2“von 2011/12. Im letzten Raum liegt Ateliergeruch in der Luft. Wir sind bei Scheibls jüngsten Arbeiten angekommen, deren Schichten flächiger mit der Spachtel bearbeitet worden sind. „Er schürft in den Schichten des eigenen Ich“, sagt Zuckriegl. „Die oberste Schicht ist die Verletzlichste.“Dabei ereignet sich ein faszinierendes Spiel mit Tiefe und Untiefe, das immer wieder neue Räume schafft. Der Wucht der großen Ölbilder setzt die Ausstellung die kleineren Papierarbeiten gegenüber. Klein bedeute aber nicht unbedeutender, warnt die Kuratorin: „Grafik ist bei Scheibl essenziell.“Die Arbeitstechnik der Überlagerung
„Als Künstler schöpft man ja eigentlich immer im Wasser.“
dominiert auch hier, etwa in der „Psychonautiker“-Serie von 2012/13. Und selbst die filigranere „Kaar“-Serie erfordert immer den zweiten Blick, angesichts der vielen Ebenen, Zeichen und Farbkombinationen.
Seine Ölbilder behandle er wie Zeichnungen, erläutert Scheibl. „Man kann nichts korrigieren, eine Malspur ist wie ein Strich.“Seine Form wähle er nicht bewusst, das passiere vielmehr in Zyklen. „Derzeit arbeite ich an einer Zellteilungs-Serie“, verrät Scheibl. Der Mensch als Produkt von Abweichungen in der Natur: Man darf auf das Ergebnis auf der Leinwand gespannt sein. Ausstellung: