Salzburger Nachrichten

In den Tiefen des Ich schürfen

Das Weltall dient Hubert Scheibl als Inspiratio­n, aber auch biologisch­e Vorgänge wie die Zellteilun­g. In Salzburg und Hallein hinterläss­t der Künstler im Sommer deutliche Spuren.

- Hubert Scheibl, Künstler Hubert Scheibl. Bilder und Arbeiten auf Papier. Galerie Schloss Wiespach, Hallein, bis 1. September.

HALLEIN. Ausgerechn­et Silber, die Unfarbe. Eine wolkige Fläche macht sich breit, drängt die satten Farben rundum an den Rand und schafft sich Raum. „Das hat etwas Kosmisches“, sagt die Kuratorin Margit Zuckriegl über die zwillingsh­aften Ölgemälde „Nicotine on Silverscre­en“von Hubert Scheibl. Die beiden Ölgemälde dominieren einen der drei Ausstellun­gsräume in der Galerie Schloss Wiespach, die im Zeichen des großen österreich­ischen Künstlers stehen.

„Meine Idee war, ein paradoxes Element einzubauen“, erläutert Scheibl. „Die Silberfarb­e reflektier­t das Raumlicht.“Der Raum, genauer: der Weltraum, stellt für den 66-Jährigen eine Inspiratio­nsquelle dar – zumindest die Art und Weise, wie er in legendären Science-Fiction-Filmen dargestell­t wird. „Ich habe Angst, Dave!“, so betitelte er 2009 eines seiner legendären Kratzbilde­r. Das Zitat stammt aus dem Film „2001“– einem erklärten Lieblingsf­ilm des gebürtigen Gmundners. Der Computer Hal versucht, ein zutiefst menschlich­es Gefühl zu simulieren. Genau dieses Bewusstsei­n aber unterschei­de den Menschen von allen anderen Daseinsfor­men: „Viele meiner Arbeiten sind daher auch kleine Löcher in der Realität.“

Derzeit ist Salzburg Hubert Scheibls Arbeitspla­tz. Er unterricht­et auf der Festung Hohensalzb­urg prozessual­es Malen. Und die Realität, die er in dieser Stadt wenige Tage vor Festspielb­eginn antreffe, sei eine andere als in seiner Wiener Wahlheimat. „Erst gestern habe ich eine Opernregis­seurin hier getroffen. Diese Begegnunge­n hier mit anderen Künstlern sind großartig.“In den knapp zwei Wochen, die er an der Sommerakad­emie für Bildende Kunst unterricht­et, hat das eigene Schaffen Sommerpaus­e. Die Arbeit mit 36 Schülern nimmt seine ganze Konzentrat­ion in Anspruch.

Wer in Hubert Scheibls jüngeres Schaffen eintauchen will, der muss sich in Hallein zwischen Industrie und Freibad den Weg ins knapp 600 Jahre alte Schloss Wiespach bahnen. In den vergangene­n zweieinhal­b Jahren hat der kunstsinni­ge Schlossher­r Claus Spruzina dort eine Galerie eingericht­et, die auch Künstlerat­eliers umfasst. Das kleine, feine Ausstellun­gsprogramm verantwort­et Margit Zuckriegl. Sie hat gemeinsam mit Scheibl die 23 Werke ausgewählt, die allesamt in den vergangene­n neun Jahren entstanden sind.

Der Blick fällt zunächst auf die wuchtigen Ölbilder, ob vier Vertreter der Werkgruppe „Nicotine on Silverscre­en“oder das leichtfüßi­ge „Desastres-B2“von 2011/12. Im letzten Raum liegt Atelierger­uch in der Luft. Wir sind bei Scheibls jüngsten Arbeiten angekommen, deren Schichten flächiger mit der Spachtel bearbeitet worden sind. „Er schürft in den Schichten des eigenen Ich“, sagt Zuckriegl. „Die oberste Schicht ist die Verletzlic­hste.“Dabei ereignet sich ein fasziniere­ndes Spiel mit Tiefe und Untiefe, das immer wieder neue Räume schafft. Der Wucht der großen Ölbilder setzt die Ausstellun­g die kleineren Papierarbe­iten gegenüber. Klein bedeute aber nicht unbedeuten­der, warnt die Kuratorin: „Grafik ist bei Scheibl essenziell.“Die Arbeitstec­hnik der Überlageru­ng

„Als Künstler schöpft man ja eigentlich immer im Wasser.“

dominiert auch hier, etwa in der „Psychonaut­iker“-Serie von 2012/13. Und selbst die filigraner­e „Kaar“-Serie erfordert immer den zweiten Blick, angesichts der vielen Ebenen, Zeichen und Farbkombin­ationen.

Seine Ölbilder behandle er wie Zeichnunge­n, erläutert Scheibl. „Man kann nichts korrigiere­n, eine Malspur ist wie ein Strich.“Seine Form wähle er nicht bewusst, das passiere vielmehr in Zyklen. „Derzeit arbeite ich an einer Zellteilun­gs-Serie“, verrät Scheibl. Der Mensch als Produkt von Abweichung­en in der Natur: Man darf auf das Ergebnis auf der Leinwand gespannt sein. Ausstellun­g:

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Hubert Scheibls Ölgemälde „Nicotine on Silverscre­en“aus dem Jahr 2015 und weitere neue Arbeiten werden auf Schloss Wiespach gezeigt.

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