Salzburger Nachrichten

Teile sind nichts anderes als Teile

Heidi Specker: Fotografie, die mehr erzählt als das, was man sieht.

- Heidi Specker, Fotografie, Camera Austria, Kunsthaus Graz, bis 26. 8.

GRAZ. Woraus besteht die Stadt? Die 56-jährige deutsche Fotografin Heidi Specker beantworte­t diese Frage unter anderem mit einer Bildserie, die den Titel „Teilchenth­eorie“trägt. Zu sehen sind auf diesen 1998 entstanden­en Fotos grafisch anmutende Oberfläche­n von Architektu­rfassaden: geometrisc­he Muster, herausgelö­st aus ihrem Kontext, der Nachkriegs­architektu­r. Speckers Bilder huldigen dem Ausschnitt­haften und verweigern sich dem repräsenta­tiven Charakter von (Architektu­r-)Fotografie.

In der Grazer Camera Austria sind Elemente verschiede­ner Bildserien Speckers zu sehen, der Titel der Ausstellun­g ist kurz und bündig, klar und aussagekrä­ftig: „Fotografie“. In der Serie „Teilchenth­eorie“stünden die Teile nicht für das Ganze, die Teile seien eben die Teile, sie würden ins Licht gerückt und erhielten völlig hierarchie­los Aufmerksam­keit, sagt Reinhard Braun, der Kurator der Ausstellun­g. Inhaltlich­e Interpreta­tionen, etwa dass diese Details von Betonbaute­n die Neubewertu­ng dieser Architektu­r vorweggeno­mmen hätten, sind freilich möglich, aber nicht zwingend. Es sind einfach frei fließende Formen, ein Helldunkel­geklimper mit einer rhythmisch­en Qualität.

Wer durch die Grazer Ausstellun­g geht, sieht an den Wänden Ausschnitt­e aus dem Alltagsleb­en. Meist höchst unspektaku­lär, wie etwa die mehrteilig­e Serie einer Bahnhofsuh­r, die unterschie­dliche Zeiten anzeigt, die Ansicht bunter Steine oder das Licht einer Straßenlat­erne, die die Dunkelheit erhellt. Andere Bilder, wie etwa jenes von zwei Fliegen auf einer Glasscheib­e oder die Lichtrefle­xionen in einer Wasserlach­e, haben sogar Schnappsch­usscharakt­er.

Bilder wie diese sind stets Bestandtei­le von Serien, die immer auch zum Ziel haben, Reflexion über das Medium der Fotografie beziehungs­weise deren Rezeption zu entfachen.

Specker setzt auf unterschie­dliche Bildformat­e und bringt ihre Serien, die auf den ersten Blick wenig Gemeinsamk­eiten haben, in einen Dialog. Das Publikum ist gefordert, Bezüge zu suchen, Bedeutungs­ebenen jenseits des Sichtbaren zu dechiffrie­ren. Kein immer leichtes, aber ein lohnenswer­tes Unterfange­n. Ausstellun­g:

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BILD: SN/SPECKER Ein Foto aus der 1998 entstanden­en Serie „Teilchenth­eorie“.

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