EU und Japan streichen fast alle Zölle
Die EU und Japan schaffen per Vertrag die weltweit größte Freihandelszone. Während die Wirtschaft sich über neue Chancen freut, warnen Kritiker vor der Aushöhlung von Standards.
„Wir tragen die Fahne des Freihandels.“ Shinzo Abe, Premierminister Japan
Hochrangige Vertreter Japans und der EU unterzeichneten am Dienstag das Freihandelsabkommen JEFTA. Der Vertrag sieht vor, ab dem Jahr 2019 fast alle Zölle zwischen den beiden Volkswirtschaften stufenweise zu beseitigen. „Wir haben etwas Historisches erreicht“, sagte Japans Premier Shinzo Abe. Tatsächlich entsteht eine Freihandelszone, in der zehn Prozent der Weltbevölkerung leben, 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erzielt und 40 Prozent des Welthandels abgewickelt werden.
Das neue Bündnis kommt zu einem psychologisch wichtigen Zeitpunkt: Je feindseliger sich US-Präsident Donald Trump gegen Europäer und Japaner verhält, umso wichtiger sind Alternativen geworden. Die beiden Wirtschaftsräume ergänzen sich zudem vergleichsweise gut: Japan bietet hoch entwickelte Elektronik, während die EU landwirtschaftliche Produkte wie Wein, Weizen und Käse günstig anbietet. Verbraucherschutz und Regulierungen liegen in beiden Regionen auf einem vergleichbaren Niveau.
Abe musste dennoch viel Überzeugungsarbeit leisten, bis der Pakt stand. Europa ist berüchtigt dafür, seine Überproduktion an preiswerten Agrarprodukten auf anderen Märkten loswerden zu wollen. Zudem war Japans Wirtschaft bisher vergleichsweise gut vor Wettbewerb von außen geschützt. Die Landwirtschaft dort ist hoch subventioniert, Finanzfirmen sind reguliert. Bereiche wie die Wasserversorgung oder die Bahn sind in öf- fentlich-rechtlichen oder Firmen organisiert.
Vor allem Landwirte, aber auch Vertreter anderer Branchen wie der Pharmaindustrie oder der Geldanlagefirmen hatten daher erhebliche Einwände. Bauern fürchteten einen Zusammenbruch des Marktes für Milchprodukte: Butter und Käse aus dem Inland kosten ein Vielfaches der Preise, die EU-Hersteller anbieten können. Japan importiert sechzig Prozent seiner Lebensmittel. Europäische Produkte sind beliebt, bisher jedoch wegen der Schutzzölle teilstaatlichen aber auch ziemlich teuer. Globalisierungsgegner kritisierten auch den Druck, den die Öffnung gegenüber einem riesigen Wirtschaftsblock auf den japanischen Arbeitsmarkt ausübt. In der EU befinden sich zahlreiche Länder mit einem niedrigeren Lohnniveau als Japan. Das schafft unwillkommenen Wettbewerb gerade für die unteren Einkommensgruppen, die sich in Japan ohnehin zunehmend mit Billigjobs durchschlagen müssen.
Viele Argumente der Kritiker des Handelsvertrags in Europa klingen ganz ähnlich. Hier stößt man sich zudem an der darin vereinbarten regulatorischen Kooperation. Dahinter steht das Prinzip, dass Gesetze vorab darauf geprüft werden, ob sie handelshemmend wirken. Das Bündnis Attac sieht darin einen Kniefall vor Konzernlobbyisten.
Abe erhofft sich einen Wachstumsschub, er will den Exporteuren neue Türen öffnen. Firmen wie Toyota, Panasonic, Canon oder Sony rechnen konkret mit einem Exportplus. Bisher belastet die EU Fahrzeuge und Autoteile mit einem Zoll von zehn Prozent des Wertes.
Unfreiwilliger Pate des Bündnisses ist US-Präsident Donald Trump, der kurz nach Amtsantritt den pazifischen Handelsvertrag TPP gekündigt hatte. „Die Politik der US-Regierung hat zweifellos die Motivation erhöht, zügig auf einen Abschluss hinzuarbeiten“, sagt Martin Schulz, Ökonom am Fujitsu-Forschungsinstitut in Tokio. JEFTA kam nach nur einem halben Jahr intensiver Verhandlungen zustande, davor hatte es in den Gesprächen vier Jahre keine nennenswerten Fortschritte gegeben.
JEFTA sei eine Chance für Österreichs Exporteure, gerade Kleinund Mittelbetriebe könnten laut WKO-Präsident Harald Mahrer davon profitieren. Dagegen sieht AKPräsidentin Renate Anderl im EUJapan-Vertrag „erneut eine vergebene Chance, um die Globalisierung durch Handelsabkommen gerechter zu gestalten“. Sie kritisiert, dass es keine Ausnahmen für Arbeit, Lebensmittel, Gesundheit und Konsumentenschutz gibt, „alle Standards stehen zur Disposition“. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sieht hingegen eine Chance, „Jobs und Wertschöpfung im Inland zu sichern“. Für NeosEU-Abgeordnete Angelika Mlinar hat die EU mit JEFTA hingegen gezeigt, dass sie in der Lage sei, „moderne und ausgewogene Handelsabkommen“zu schließen.