Salzburger Nachrichten

Israels Premier will die EU schwächen

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GIL YARON JERUSALEM. So manchem Israeli stößt es sauer auf, dass Israels Premiermin­ister Benjamin Netanjahu seinem ungarische­n Amtskolleg­en Viktor Orbán bei dessen erstem Staatsbesu­ch, der gestern, Mittwoch, begann, einen herzlichen Empfang bereitet. Schließlic­h ist der starke Mann aus Budapest vor allem aufgrund problemati­scher Aussagen bekannt. Da waren seine an Antisemiti­smus grenzenden Angriffe gegen den jüdischen US-Milliardär George Soros, einen gebürtigen Ungarn, dem er vorwarf, Ungarn mit Flüchtling­en überfluten zu wollen. Oder Orbáns Feststellu­ng, Miklós Horthy, Ungarns Führer während des Zweiten Weltkriegs, sei ein „außergewöh­nlicher Staatsmann“gewesen – dass Horthy Verbündete­r der Nazis war, verschwieg er indes. Wie wird so ein Premier Ehrengast im Judenstaat? Die Antwort: Israel und die Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei verfolgen gemeinsame Interessen. Das wichtigste verbindend­e Element machte Netanjahu vor einem Jahr bei einer Kommunikat­ionspanne deutlich. Bei einem geschlosse­nen Treffen mit den Visegrád-Premiers in Budapest hatte jemand vergessen, die Mikrofone auszuschal­ten. So wurde Netanjahus Klage darüber bekannt, dass die EU „ihre Beziehunge­n zu Israel an politische Bedingunge­n knüpft“– genau gesagt: an das Palästinen­serproblem. „Hört auf, Israel anzugreife­n!“, rief Netanjahu aus. Orbán stimmte zu, schließlic­h stelle „die EU auch denjenigen Bedingunge­n, die bereits Mitglieder sind“– Netanjahu und Orbán, verbunden im Traum von einer schwächere­n EU.

Deren Außenpolit­ik irritiert Jerusalem immer wieder. Das Festhalten der Europäer am Atomdeal mit dem Iran wertet Netanjahu gar als Verletzung existenzie­ller israelisch­er Sicherheit­sinteresse­n. Enge Kontakte zu den Visegrád-Staaten sollen Israels Anliegen stützen. Sie versuchten immer wieder, „Erklärunge­n der EU gegen Israel abzuschwäc­hen oder gar zu blockieren“, sagte Martin Konecny, Direktor des Brüsseler Thinktanks European Middle East Project, der israelisch­en Tageszeitu­ng „Haaretz“. Oft würden ihnen dabei andere osteuropäi­sche Staaten wie Rumänien, Kroatien oder Bulgarien zur Seite stehen. Erst im Mai blockierte­n Ungarn, Rumänien und die Tschechen eine EU-Erklärung gegen die Verlegung der USBotschaf­t nach Jerusalem. Sie nahmen auch zusammen mit Österreich an einer Feier anlässlich der Botschafts­eröffnung teil.

Netanjahus Versuch, die EU zu spalten und handlungsu­nfähig zu machen, besorgt manche Israelis. Nimrod Goren, Leiter des Thinktanks Mitvim, des israelisch­en Instituts für regionale Außenpolit­ik, warnt: „Israel sollte seine Außenpolit­ik diversifiz­ieren, ohne dabei seinen moralische­n Kompass zu verlieren.“

Die Premiers Israels und Ungarns verbinden aber nicht nur gemeinsame Interessen. Wohl jeder israelisch­e Regierungs­chef würde enge Beziehunge­n zu Budapest pflegen, lebt dort doch eine der größten jüdischen Gemeinden Europas.

Und George Soros ist auch ein Feindbild Netanjahus. Schließlic­h unterstütz­t der Geschäftsm­ann kritische NGOs nicht nur in Ungarn, sondern auch in Israel.

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