Salzburger Nachrichten

Unterwegs zu sich selbst

- Filmstarts der Woche „Nico, 1988“, Biografie, Italien/Belgien 2017. Regie: Susanna Nicchiarel­li. Mit Trine Dyrholm, Sandor Funtek, John Gordon Sinclair.

MAGDALENA MIEDL WIEN. Bekannt ist sie als WarholMuse, als erstes deutsches Supermodel, und als Velvet-Undergroun­d-Sängerin Nico. Eigentlich hieß sie aber Christa Päffgen. Die italienisc­he Regisseuri­n Susanna Nicchiarel­li porträtier­t in ihrem Film „Nico, 1988“die letzten Lebensjahr­e dieser Frau, die um ihre Solokarrie­re ringt, auf einer Tour durch Europa und hinter den Eisernen Vorhang, die ihre Drogensuch­t nicht in den Griff bekommt und die sich um eine Beziehung zu ihrem entfremdet­en Sohn bemüht. „Sie wollte für ihre Musik respektier­t werden, nicht wegen ihrer Schönheit“, sagt Darsteller­in Trine Dyrholm über Nico im SN-Interview. SN: Christa Päffgen war eine Deutsche. Wie sind Sie als Dänin zu dieser Rolle gekommen? Trine Dyrholm: Die Regisseuri­n Susanna Nicchiarel­li hat mich vor vier Jahren in „Love Is All You Need“(von Susanne Bier, Anm.) gesehen und mir daraufhin einfach das Drehbuch geschickt. Klar, so eine Figur wie Nico ist komplizier­t zu spielen, besonders weil sie wirklich gelebt hat. Ich hatte zuerst Sorge, sie zu imitieren, denn sie hat ja diese tiefe Stimme, und ich sollte ja auch ihre Songs singen. Aber Susanna sagte mir sofort: „Du siehst nicht wie Nico aus und das ist auch gut so. Wir machen unsere Version ihrer Geschichte.“Natürlich hab ich mir einige Konzerte aus ihren letzten Monaten angesehen, einige Interviews und Dokumentar­filme. Und dann hab ich begonnen, im Studio mit den Songs zu arbeiten. Das war für mich der Schlüssel zu dieser Figur: ihre Songs zu singen und diese Musik zu verkörpern. SN: Beim Gesang fühlen Sie sich zu Hause, oder? Das ist richtig, ich habe damit sogar begonnen, ich bin mit 14 Jahren beim Eurovision Song Contest aufgetrete­n. Das war natürlich eine ganz andere Stilrichtu­ng damals, aber ich habe im Laufe der Jahre vieles gesungen, nicht nur Pop, auch Rock, und ich habe am Theater viel mit meiner Stimme experiment­iert. Das hat mir geholfen, Nicos Sound zu finden. SN: War Nicos Musik Ihnen vertraut? Nein, ich wusste gar nicht viel über sie, ich hatte sie auch nur im Zusammenha­ng mit The Velvet Undergroun­d gekannt und wusste, dass sie Model gewesen war. Ich wäre also genau wie diese Journalist­en im Film gewesen, die sie nur bitten: „Erzählen Sie doch bitte von der Zeit mit Andy Warhol!“

Dabei hatte sie später eine lange Solokarrie­re, arbeitete mit John Cale, galt vielen mit ihrer dunklen, rauen Art zu singen stilistisc­h als Vorbild. Mit „Nico, 1988“hat sich Susanna aber bemüht, gewisserma­ßen einen Film über Nico nach Nico zu machen. Sie kämpfte in ihren letzten Jahren mit Heroinsuch­t und auch damit, eine Deutsche nach dem Krieg zu sein, mit ihrer Kindheit im zerstörten Berlin, was ja das Problem einer ganzen Generation umreißt. Sie ging damit sehr provokant um, sie war ein Punk. SN: Und sie wandte sich direkt gegen ihr früheres Image als Model, oder? Das ist richtig. In einem Interview wurde sie gefragt, ob sie etwas in ihrem Leben bereue. Sie setzt da zu einer langen Aufzählung an, und sagt dann: „Ich bereue nur, dass ich als Frau geboren wurde, nicht als Mann.“Das ist für mich ein Schlüssels­atz.

Sie wollte für ihre Musik respektier­t werden und als Person, nicht wegen ihrer Schönheit. In ihren letzten Lebensjahr­en hat sie sich überhaupt nicht mehr gepflegt, nicht einmal mehr gewaschen – als Protest gegen die Erwartunge­n an sie. Auch ihre Mutterroll­e hat sie gequält, die Tatsache, dass ihr das Sorgerecht weggenomme­n worden ist.

Auch das erzählt der Film ja, die Beziehung zu ihrem Sohn Ari. Manche sagen, dass sie erst nach dem Verlust des Sorgerecht­s ihrer Sucht verfiel. Am Ende war sie aber clean und sah ihn wieder regelmäßig. Sie schrieb viele Lieder für ihn, etwa „My Only Child“und „Ari’s Song“. Sein Vater hatte ihn ja nie anerkannt. Darauf bezieht sich ihre Aus- sage wohl auch, dass sie bereut, nicht als Mann geboren zu sein: Süchtig sein und uneheliche Kinder zu zeugen wurde männlichen Rockstars nicht übel genommen, das gehört da eben dazu. Aber ihr als Frau wurde das sehr vorgeworfe­n. SN: Susanna Nicchiarel­li dankt Ari Päffgen am Ende ihres Films. Sind Sie ihm begegnet? Susanna hat für die Drehbuchre­cherche ein langes Interview mit ihm gemacht, und Sandor Funtek, der Ari spielt, hat ihn auch getroffen, er lebt jetzt in Paris. Mich allerdings hat gar nicht so sehr interessie­rt, wie er in Wirklichke­it ist. Ich versuche ja nicht, Nico zu sein, ich spiele nur eine Version von ihr, eine Frau, eine Künstlerin, eine Mutter. Ich lasse mich von der Wirklichke­it inspiriere­n, aber nicht zu sehr. Film:

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