Unterwegs zu sich selbst
MAGDALENA MIEDL WIEN. Bekannt ist sie als WarholMuse, als erstes deutsches Supermodel, und als Velvet-Underground-Sängerin Nico. Eigentlich hieß sie aber Christa Päffgen. Die italienische Regisseurin Susanna Nicchiarelli porträtiert in ihrem Film „Nico, 1988“die letzten Lebensjahre dieser Frau, die um ihre Solokarriere ringt, auf einer Tour durch Europa und hinter den Eisernen Vorhang, die ihre Drogensucht nicht in den Griff bekommt und die sich um eine Beziehung zu ihrem entfremdeten Sohn bemüht. „Sie wollte für ihre Musik respektiert werden, nicht wegen ihrer Schönheit“, sagt Darstellerin Trine Dyrholm über Nico im SN-Interview. SN: Christa Päffgen war eine Deutsche. Wie sind Sie als Dänin zu dieser Rolle gekommen? Trine Dyrholm: Die Regisseurin Susanna Nicchiarelli hat mich vor vier Jahren in „Love Is All You Need“(von Susanne Bier, Anm.) gesehen und mir daraufhin einfach das Drehbuch geschickt. Klar, so eine Figur wie Nico ist kompliziert zu spielen, besonders weil sie wirklich gelebt hat. Ich hatte zuerst Sorge, sie zu imitieren, denn sie hat ja diese tiefe Stimme, und ich sollte ja auch ihre Songs singen. Aber Susanna sagte mir sofort: „Du siehst nicht wie Nico aus und das ist auch gut so. Wir machen unsere Version ihrer Geschichte.“Natürlich hab ich mir einige Konzerte aus ihren letzten Monaten angesehen, einige Interviews und Dokumentarfilme. Und dann hab ich begonnen, im Studio mit den Songs zu arbeiten. Das war für mich der Schlüssel zu dieser Figur: ihre Songs zu singen und diese Musik zu verkörpern. SN: Beim Gesang fühlen Sie sich zu Hause, oder? Das ist richtig, ich habe damit sogar begonnen, ich bin mit 14 Jahren beim Eurovision Song Contest aufgetreten. Das war natürlich eine ganz andere Stilrichtung damals, aber ich habe im Laufe der Jahre vieles gesungen, nicht nur Pop, auch Rock, und ich habe am Theater viel mit meiner Stimme experimentiert. Das hat mir geholfen, Nicos Sound zu finden. SN: War Nicos Musik Ihnen vertraut? Nein, ich wusste gar nicht viel über sie, ich hatte sie auch nur im Zusammenhang mit The Velvet Underground gekannt und wusste, dass sie Model gewesen war. Ich wäre also genau wie diese Journalisten im Film gewesen, die sie nur bitten: „Erzählen Sie doch bitte von der Zeit mit Andy Warhol!“
Dabei hatte sie später eine lange Solokarriere, arbeitete mit John Cale, galt vielen mit ihrer dunklen, rauen Art zu singen stilistisch als Vorbild. Mit „Nico, 1988“hat sich Susanna aber bemüht, gewissermaßen einen Film über Nico nach Nico zu machen. Sie kämpfte in ihren letzten Jahren mit Heroinsucht und auch damit, eine Deutsche nach dem Krieg zu sein, mit ihrer Kindheit im zerstörten Berlin, was ja das Problem einer ganzen Generation umreißt. Sie ging damit sehr provokant um, sie war ein Punk. SN: Und sie wandte sich direkt gegen ihr früheres Image als Model, oder? Das ist richtig. In einem Interview wurde sie gefragt, ob sie etwas in ihrem Leben bereue. Sie setzt da zu einer langen Aufzählung an, und sagt dann: „Ich bereue nur, dass ich als Frau geboren wurde, nicht als Mann.“Das ist für mich ein Schlüsselsatz.
Sie wollte für ihre Musik respektiert werden und als Person, nicht wegen ihrer Schönheit. In ihren letzten Lebensjahren hat sie sich überhaupt nicht mehr gepflegt, nicht einmal mehr gewaschen – als Protest gegen die Erwartungen an sie. Auch ihre Mutterrolle hat sie gequält, die Tatsache, dass ihr das Sorgerecht weggenommen worden ist.
Auch das erzählt der Film ja, die Beziehung zu ihrem Sohn Ari. Manche sagen, dass sie erst nach dem Verlust des Sorgerechts ihrer Sucht verfiel. Am Ende war sie aber clean und sah ihn wieder regelmäßig. Sie schrieb viele Lieder für ihn, etwa „My Only Child“und „Ari’s Song“. Sein Vater hatte ihn ja nie anerkannt. Darauf bezieht sich ihre Aus- sage wohl auch, dass sie bereut, nicht als Mann geboren zu sein: Süchtig sein und uneheliche Kinder zu zeugen wurde männlichen Rockstars nicht übel genommen, das gehört da eben dazu. Aber ihr als Frau wurde das sehr vorgeworfen. SN: Susanna Nicchiarelli dankt Ari Päffgen am Ende ihres Films. Sind Sie ihm begegnet? Susanna hat für die Drehbuchrecherche ein langes Interview mit ihm gemacht, und Sandor Funtek, der Ari spielt, hat ihn auch getroffen, er lebt jetzt in Paris. Mich allerdings hat gar nicht so sehr interessiert, wie er in Wirklichkeit ist. Ich versuche ja nicht, Nico zu sein, ich spiele nur eine Version von ihr, eine Frau, eine Künstlerin, eine Mutter. Ich lasse mich von der Wirklichkeit inspirieren, aber nicht zu sehr. Film: