Salzburger Nachrichten

Liberale Gesellscha­ft soll etwas ermögliche­n

- SN, APA

BREGENZ. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hat mit unterhalts­amem Appell für die Freiheit der Kunst im Besonderen die 73. Bregenzer Festspiele eröffnet. Den künstleris­chen Auftakt bildete am Mittwochab­end die österreich­ische Erstauffüh­rung von „Beatrice Cenci“. Im Mittelpunk­t steht heuer als Oper auf dem See die Wiederaufn­ahme von „Carmen“.

Im Festakt im Bregenzer Festspielh­aus setzten sowohl Van der Bellen als auch Kulturmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) beim Gedenkjahr 2018 und bei Karl Böhm (1894–1981) an. Böhm sei nicht nur „großartige­r Dirigent“und „gefeierter Mozartund Wagner-Interpret“, sondern auch „williger Diener des Nationalso­zialismus“gewesen, sagte Van der Bellen. Heuer wird in Bregenz Paulus Hochgatter­ers Stück „Böhm“(im März in Graz uraufgefüh­rt) gespielt. Dazu passt, dass Puppenspie­ler Nikolaus Habjan als Conferenci­er mit einer Böhm-Handpuppe durch die Eröffnungs­feier führte.

„Ja, dürfen s’ denn das?“, fragte dazu Van der Bellen rhetorisch – gemeint war: „die Lichtgesta­lt vom Sockel stoßen, so quasi“. Seine Antwort: Bei „uns“werde diese Frage in dieser Form nicht mehr gestellt. Vielmehr sollte in einer liberalen Demokratie gelten, dass Kunst nichts „soll“. Kunst könne unterhalte­nd, behübschen­d sowie kritisch sein, „sie kann alles sein. Sie soll es nur nicht sollen“, sagte der Bundespräs­ident. „Kunst soll nur eines: Sie soll möglich sein und frei sein.“Eine liberale Gesellscha­ft messe sich an dem, was sie möglich mache, und nicht an dem, was sie verhindere. Freiheit der Kunst sowie Presseund Meinungsfr­eiheit seien global gesehen „rare Güter“, national betrachtet „nicht gar so alt“. „Achten wir darauf, dass es so bleibt.“

Gernot Blümel ging darauf ein, dass in totalitäre­n Regimes des 20. Jahrhunder­ts die Rolle der Kunst eine untergeord­nete gewesen sei. „Es lässt sich feststelle­n, dass die Kunst hier nirgendwo als Zweck an sich, sondern überall letztlich als Mittel zum Zweck gesehen wird.“Der Zweck sei dabei gewesen, zu bestätigen, was das jeweilige System als wahr vorgegeben habe. Wenn also Kunst ausschließ­lich als Mittel verstanden werde, sei „einer gefährlich­en Entwicklun­g Tür und Tor geöffnet“.

Auch heute gebe es Debatten über die Freiheit der Kunst und deren Grenzen. Der Kulturmini­ster verwies auf die Verleihung des Musikpreis­es Echo, der nach einem Antisemiti­smus-Eklat abgeschaff­t wurde. Er schlug den Bogen zum Mainstream. Keine Zeit sei dagegen gefeit, dass Menschen ungeprüft Meinungen anderer übernähmen. „Aber niemand kann uns von der Pflicht entbinden, uns eine eigene Meinung zu bilden“, sagte Blümel.

Die Bregenzer Festspiele bieten bis 20. August achtzig Veranstalt­ungen mit 224.000 Tickets. Von den rund 210.000 Tickets für „Carmen“sind bisher 95 Prozent verkauft.

Newspapers in German

Newspapers from Austria