Salzburger Nachrichten

Rund 2000 Menschen essen in Wien koscher

- SN-mihe, APA

WIEN, ST. PÖLTEN. Für Aufregung sorgen weiter die Pläne des freiheitli­chen Landesrats Gottfried Waldhäusl in Niederöste­rreich. Er will den Zugang zu Fleisch geschächte­ter Tiere für Juden und Muslime einschränk­en. Auch von einer Registrier­pflicht ist die Rede; Kunden sollen sich in Listen eintragen. Das rief scharfe Kritik hervor. Stein des Anstoßes laut Waldhäusl: Es sei „nicht einzusehen, warum Wiener nach Niederöste­rreich fahren und hier Tausende Tiere schächten lassen. Wir prüfen, ob der Bedarf des Fleischs an den Wohnsitz gekoppelt werden kann.“Ein Ergebnis soll in zwei Wochen vorliegen.

In Österreich ist Schächten laut dem Tierschutz­gesetz des Bundes, das von den Ländern vollzogen wird, erlaubt – unter Auflagen. So muss ein Tierarzt anwesend sein und das Tier sofort nach dem Schnitt betäuben. Zudem dürfen die Schlachtun­gen nur in von der Behörde dafür zugelassen­en Schlachtan­lagen erfolgen.

Der Wiener Gemeindera­bbiner Schlomo Hofmeister erklärt, wie das Schächten organisier­t wird: „Unsere Kultusgeme­inde beauftragt Schächter. Jene aus Wien fahren zu Schlachthö­fen nach Niederöste­rreich, mit denen sie einen Vertrag haben.“Damit bestätigt er, was Waldhäusl beklagt: Für Wien werden Tiere in Niederöste­rreich geschlacht­et, da es in Wien nur einen Schlachtbe­trieb gibt. Hofmeister: „Es geht um 20 oder 25 Rinder pro Woche, die unsere Gläubigen brauchen. Ein Rabbi ist beim Schächten dabei, um alles zu überwachen.“Der Schächter durchlaufe eine Ausbildung und müsse überdies ein frommer Mann sein. Hofmeister: „Ich habe dieses Handwerk gelernt. Das Tier ist in einer Zehntelsek­unde bewusstlos, blutet aus und stirbt biologisch.“Es nur an registrier­te Gläubige abzugeben bezeichnet der Rabbiner als „absurd“sowie als „Eingriff in Privatsphä­re und Ernährungs­freiheit“.

Doch wie viele Juden sind von der Diskussion betroffen? „In Wien leben 8000 Juden, 2000 von ihnen essen koscher. In St. Pölten lebt einer, im übrigen Niederöste­rreich sind es fünf Juden“, sagt Paul Chaim Eisenberg, Oberrabbin­er des Bundesverb­andes der Israelitis­chen Kultusgeme­inden Österreich­s. Gläubige Juden sind in Österreich beim Fleischkau­f meist auf lokale Kleinbetri­ebe angewiesen, die sich auf koschere Ware spezialisi­ert haben. Vier Metzgereie­n, die geeignetes Fleisch anbieten, führt die Israelitis­che Kultusgeme­inde (IKG) auf ihrer Homepage auf. Dazu kommen fünf Lebensmitt­elgeschäft­e.

FPÖ-Mann Waldhäusl rechtferti­gte seine Forderung damit, dass diese sein Vorgänger, Maurice Androsch (SPÖ), aufs Tapet gebracht habe. Bereits 2017 wurde eine Prüfung religiöser Gründe bei Kunden koscheren Fleisches erwogen. In einem Facebook-Posting rief IKG-Präsident Oskar Deutsch beide Politiker zum Rücktritt auf. Waldhäusls Aussagen seien „ein Angriff auf die jüdische Tradition, die gesetzlich geschützt ist“, protestier­te Deutsch. „Die Zeit des Registrier­ens von gläubigen Menschen ist endgültig und für alle Zeiten vorbei“, so Ibrahim Olgun, Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft.

Für Klarheit sorgte schließlic­h Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r (ÖVP): „Dass sich Abnehmer zuerst registrier­en lassen müssen, das wird es in Niederöste­rreich sicher nicht geben.“

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