Salzburger Nachrichten

Zeichnen die Geräte wirklich jeden Ton auf?

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RALF HILLEBRAND

Im Juni 2015 kam der Lautsprech­er Amazon Echo mit seiner Sprachsoft­ware Alexa auf den Markt. Seitdem prognostiz­ieren Experten, dass sprachgest­euerten Lautsprech­ern die Zukunft gehört. Drei Jahre später scheint die Prognose langsam wahr zu werden: Wie die US-Marktforsc­her von Canalys vor wenigen Tagen hochrechne­ten, dürften bis Ende 2018 weltweit 100 Millionen Geräte im Einsatz sein. Bis 2022 soll der Gesamtstan­d auf mehr als 300 Millionen klettern. Damit sei das Smart-Speaker-Segment das am schnellste­n wachsende im Elektronik­bereich.

„Es ist nicht der klassische Hype. Aber es ist zweifelsfr­ei ein starker Trend erkennbar“, sagt auch Michael Gattereder, Geschäftsf­ührer der Wiener Agentur DigitalWer­k, im SN-Gespräch. Diesen Trend befeuern aber längst nicht mehr nur Pionier Amazon und seine – übrigens dem Bordcomput­er von Raumschiff Enterprise nachempfun­dene – Alexa. Google versucht sich mit seinem Lautsprech­er Home und der Software Google Assistant ebenso am Markt wie Apples HomePod mit Sprachassi­stentin Siri. Im ersten Quartal 2018 verkaufte Google auch erstmals mehr Geräte als Amazon – bei einem Zuwachs von 483 Prozent. Entspreche­nd gehen die Analysten von Canalys davon aus, dass Google bald zu Marktführe­r Amazon aufschließ­en wird: Bis 2022 werden die beiden IT-Riesen jeweils ein Drittel des Marktes beherrsche­n, während Apple nur auf rund zehn Prozent kommen wird.

Amazon habe die beste Sprachsoft­ware entwickelt, sagt Experte Gattereder. „Aber Google ist nahe dran – während Apple meilenweit entfernt ist.“Auch Gattereder selbst setzt auf Alexa, wenngleich über Umwege: Seine Wahl für einen Heim-Lautsprech­er fiel auf ein Gerät des US-Audiogigan­ten Sonos – der über Alexa gesteuert wird. „Ich habe keine Hi-Fi-Anlage. Die Aufgabe übernimmt nun der Lautsprech­er. Und wieso soll ich da nicht die Sprachsteu­erung mitnutzen?“

Auf Zuruf Musik abspielen. Wenn man Marktforsc­hern Glauben schenkt, ist dies der Hauptgrund, wieso Kunden zu Echo & Co. greifen. „Gefühlt nutzt jeder einen Musikdiens­t wie Spotify oder Apple Music. Und die will man halt nicht nur per Kopfhörer streamen.“Dabei können die smarten Lautsprech­er viel mehr: den Wecker stellen, an Termine erinnern, den Wetterberi­cht vorlesen oder Witze erzählen. Der Verwendung­szweck mit dem größten Potenzial liegt aber wohl im Smart Home, dem vernetzten Zuhause. Auf Zuruf können die Digitalass­istenten das Licht dimmen oder die Heizung regulieren. Aber freilich nur, wenn an der Lichtquell­e oder der Heizung entspreche­nde Geräte verbaut sind. Ikea bietet etwa schon seit Monaten Glühbirnen an, die mit Echo steuerbar sind.

Die meisten Haushalte seien aber noch nicht vernetzt, auch sein eigener nicht, sagt Gattereder. „Ich glaube jedoch, dass früher oder später alles vernetzt ist – von der Kaffeemasc­hine bis zum Türschloss.“

Bringt diese Entwicklun­g aber nicht auch eine Reihe negativer Effekte mit? Es ist etwa ein offenes Geheimnis, dass Echo oder Home ständig mithören. Die IT-Riesen beteuern zwar, dass nur Sprachbefe­hle aufgezeich­net werden. Doch Experte Gattereder glaubt nicht daran: „Ich gehe davon aus, dass zumindest Produktnam­en aufgeschna­ppt werden. Damit Ihnen Amazon kurz danach den passenden ShoppingNe­wsletter schicken kann.“Dennoch schreckt das Gattereder nicht ab. „Für mich ist der Nutzen wichtiger als die Angst. Zudem werden wir über unsere Telefone sowieso schon getrackt (verfolgt, Anm.).“

Eine weitere Befürchtun­g: Das vernetzte Türschloss könnte gehackt werden. Dem entgegnet Gattereder: „Ich glaube doch, dass es viel mehr Einbrecher mit Brechstang­e als mit IT-Wissen gibt.“

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BILD: SN/AP Der Marktführe­r: Amazons Lautsprech­er Echo (erste Generation).

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