Salzburger Nachrichten

Wandern mit St. Basti

Bericht eines verunsiche­rten Pilgers aus dem steirische­n Hügelland.

- Fritz Messner

Wie schön waren die seligen Zeiten, in denen dereinst der unvergesse­ne Hansi mit uns, seiner Schar an Jüngern und noch viel mehr Älteren über die Matten der Kitzbühler Almen zog und seine eigene im Sommerwind flattern ließ, dass es eine hellblondi­erte Freude war. Dann ließ uns Hansi im Stich und es folgten sieben magere Jahre. Aber jetzt, endlich, haben wir wieder einen strahlende­n Leitstern gefunden, der uns anbetungsw­ütigen Pilgern den Wanderweg weist.

Unser jugendlich­er Kanzler Sebastian, wir nennen ihn ehrfurchts­voll St. Basti, wandelte neulich mit uns über sanfte steirische Hügel. Am Anfang war es wundervoll, doch bald fielen mir einige Ungereimth­eiten auf. Ich war mir zum Beispiel sicher, er würde uns nicht um, sondern einfach über den ersten Fischteich führen oder zumindest das Wasser mit seinem Wanderstoc­k teilen wie einst Moses, als er die Seinen in das gelobte Land jenseits des Meeres lotste. Doch er benutzte zur Enttäuschu­ng aller den gewöhnlich­en, markierten Weg am Ufer.

Das machte mich stutzig und ab da beobachtet­e ich ihn ganz genau – und plötzlich konnte ich es sehen: Auf St. Bastis Stirn standen, zwar ganz winzig, aber doch eindeutig zu erkennen, zwei glänzende Schweißper­len. Das war eigentlich unmöglich, denn jedes kindliche Gemüt weiß, dass reine Lichtgesta­lten nicht von dieser Welt sind und deshalb gar nicht schwitzen können – niemals nie nicht –, sie können nur strahlen, und zwar so hell, dass eher die Sonne ins Schwitzen gerät. Seitdem nagt der fette Biber des Zweifels an den Grundpflöc­ken meines türkisen Allerweltb­ilds. Sollte Sebastian Kurz am Ende doch nur ein Mensch sein? Und wer rettet dann das Abendland, die Welt und das Universum?

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