Die krumme Wirbelsäule
Als Skoliose bezeichnet man eine dreidimensionale Fehlstellung der Wirbelsäule, die durch eine Verdrehung der einzelnen Wirbelkörper um ihre Längsachse und eine gleichzeitige seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule gekennzeichnet ist.
Verformungen der Wirbelsäule im Kindes- und Jugendalter sind für die Eltern in der Regel ein Grund zur Besorgnis, obwohl den Betroffenen Schmerzen häufig erspart bleiben. Die Begradigung der krummen Wirbelsäule gehört zu den ursprünglichen Aufgaben des Orthopäden.
Das Krankheitsbild der idiopathischen Skoliose ist seit frühester Menschengeschichte, dokumentiert durch prähistorische Skelettfunde, bekannt. Galen (130–201 n. Chr) prägte den Begriff Skoliose, welcher sich aus dem griechischen Wort „scolios“(krumm oder schief) ableitet.
Schon Hippokrates (460–350 n. Chr.) versuchte mit bestimmten Apparaten durch Extension und Redressement des Rippenbuckels die Seitausbiegung und Wirbelkörperverdrehung zu korrigieren.
Es werden vier Gruppen von Skoliosen unterschieden. Idiopathische Skoliose: Bei über 80% der Skoliosen ist die Ursache nicht geklärt, weshalb man sie als idiopathisch bezeichnet. Die idiopathische Skoliose wird nach dem Alter des jeweiligen ersten Auftretens in weitere Untergruppen unterteilt.
Die häufigste Form ist die adoleszente idiopathische Form (Erstmanifestation zwischen dem zehnten Lebensjahr und dem Abschluss des Wachstums) mit einer Häufigkeit von 0,2–6,0% der Bevölkerung. Sie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit genetisch beeinflusst, wie mehrere epidemiologische Studien nahelegen. Kongenitale Skoliose: Die angeborenen Skoliosen werden durch Störung der embryonalen Wirbelentwicklung verursacht. Kongenitale Skoliosen sind selten, können aber unbehandelt zu schweren Deformitäten führen, weshalb oft Operationen notwendig sind. Neuromuskuläre Skoliosen: Neurologische oder muskuläre Erkrankungen können im Kindesalter beginnen und neben vielen Symptomen durch Störungen des Stütz- und Halteapparats mit lokal oder generalisiert auftretenden Muskeldysfunktionen auch eine Skoliose auslösen. Bei dieser Form der Skoliose sind häufige klinische und radiologische Kontrollen notwendig. Adulte Skoliosen Sie finden sich definitionsgemäß nach dem Wachstumsabschluss, wobei eine relevante Manifestation erst nach dem 40. Lebensjahr eintritt. Durch die Überalterung der Bevölkerung kommt es immer mehr zu sehr ausgeprägten symptomatischen adulten Skoliosen, was den orthopädischen Wirbelsäulenchirurgen vor große Herausforderungen stellt.
Bei der Untersuchung durch den Arzt ergibt sich eine zunehmende Deformierung des Rumpfs, welche mit einer Abweichung der Wirbelsäule aus dem Lot assoziiert sein kann, aber nicht muss. Häufig erkennt man in vornübergebeugter Position eine Ausbildung eines Rippenbuckels oder Lendenwulstes. Erwachsene klagen in erster Linie über belastungsabhängige Rückenschmerzen, die manchmal auch mit einer Schmerzausstrahlung in ein oder beide Beine einhergehen.
Obwohl die Inzidenz der behandlungsbedürftigen Skoliosen im Kindes- und Jugendalter mit 3–5‰ (Promille) gering ist, sollte bei Schulkindern eine klinische, fachärztlich-orthopädische Untersuchung des Stütz- und Bewegungsapparats durchgeführt werden.
Anhand bestimmter Wachstumszeichen am Becken ist es möglich, die Progression der Skoliose zu bestimmen. Zur Diagnostik zählen neben der exakten Untersuchung auch unter anderem spezielle Röntgenuntersuchungen der gesamten Wirbelsäule, wo nach der Cobb-Methode die Krümmung ausgemessen werden und der Schweregrad der Skoliose (Lenke-Klassifikation) bestimmt werden kann. Zur Verlaufsbeobachtung ist es gerade bei Kindern möglich, auch ein röntgenstrahlenfreies lichtoptisches Verfahren, welche die Körperoberfläche dreidimensional vermisst, einzusetzen.
Die Behandlung der Skoliose muss rechtzeitig erfolgen und richtet sich nach der Ausprägung der Krümmung. Meistens ist eine physiotherapeutische dreidimensionale Skoliosebehandlung nach Schroth ausreichend.
Bei fortgeschrittener Verkrümmung muss unbedingt eine Korsetttherapie erfolgen, das sog. Chêneau-Korsett ist eine wirkungsvolle und moderne nichtoperative Skoliosetherapie; das Korsett muss jedoch oft über Jahre konsequent täglich getragen werden. Eine klare Empfehlung zur Operation ergibt sich bei adoleszenten idiopathischen Skoliosen bei einem Verkrümmungswinkel von 40–50°.