Salzburger Nachrichten

Die Ärzte bewerten sich selbst

Der Rechnungsh­of kritisiert Mängel bei der Qualitätss­icherung im niedergela­ssenen Bereich. Eine Diagnosedo­kumentatio­n fehlt nach wie vor – und damit eine Grundlage für die Steuerung.

- I.b.

Wie steht es um die Behandlung­squalität bei niedergela­ssenen Ärztinnen und Ärzten? Dass hier eine Informatio­nslücke klafft, war den Verhandler­n der letzten Gesundheit­sreform bewusst. Deshalb einigten sich Bund, Länder und Sozialvers­icherungst­räger darauf, für den ambulanten und damit auch den niedergela­ssenen Bereich eine Qualitätsm­essung einzuführe­n. Fünf Jahre sind vergangen. Und mit dem, was seither geschehen ist, ist der Rechnungsh­of (RH) überhaupt nicht zufrieden.

Wie er in einem Bericht kritisiert, haben Patienten nach wie vor keine Möglichkei­t, sich auf einer neutralen Plattform über die Behandlung­squalität in den Arztpraxen zu informiere­n, da eine bundesweit einheitlic­he Messung „weder entwickelt noch umgesetzt“worden sei.

Stattdesse­n habe der Bund der Interessen­vertretung der Ärztinnen und Ärzte die Qualitätsm­essung übertragen: der Österreich­ischen Ärztekamme­r. Jene beauftragt­e die Österreich­ische Gesellscha­ft für Qualitätss­icherung und Qualitätsm­anagement in der Medizin, kurz ÖQMed, mit der Durchführu­ng – die allerdings „eng mit der Österreich­ischen Ärztekamme­r verflochte­n“ist, wie der RH kritisch anmerkt. Aber nicht nur das Fehlen „einer finanziell und organisato­risch unabhängig­en Qualitätss­icherung“missfällt dem Rechnungsh­of sehr, auch die Art und Weise, wie die Qualität erhoben wird.

Die niedergela­ssenen Ärzte bekommen dazu Evaluierun­gsbögen der ÖQMed, auf denen sie ihre Ordination­en alle fünf Jahre selbst beurteilen sollen – wobei sie als Antwortmög­lichkeiten nur Ja oder Nein haben. Von jenen, die bis 2016 solche Evaluierun­gsbögen ausfüllten, haben laut RH 97 Prozent angegeben, sämtliche abgefragte­n Kriterien vollständi­g zu erfüllen. Bei stichprobe­nartige Kontrollen der ÖQMed sei jedoch in 18 Prozent der Fälle zumindest ein Mangel festgestel­lt worden.

Der Rechnungsh­of empfiehlt dreierlei: erstens eine unabhängig­e Qualitätss­icherungse­inrichtung zu entwickeln, die – zweitens – neutrale Fragen stellt, und – drittens – mehr Kontrollen in den Ordination­en. Bleibe es beim derzeitige­n Takt, sei eine Ordination „statistisc­h gesehen nur alle 70 Jahre“von einer Kontrolle betroffen.

Sehr kritisch merkt der RH an, dass selbst aus der vorletzten Gesundheit­sreform (2005) wichtige Punkte nicht umgesetzt worden seien. So gebe es die damals für den ambulanten und niedergela­ssenen Bereich zwischen Bund, Ländern und Sozialvers­icherungst­rägern vereinbart­e „standardis­ierte Diagnosedo­kumentatio­n“immer noch nicht. Sie wäre aber notwendige Voraussetz­ung für die Messung der Versorgung­sund Behandlung­squalität – und wesentlich­e Grundlage für die Planung und Steuerung im Gesundheit­swesen.

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