Theresa May fordert Flexibilität von der EU
Den Brexit-Verhandlern läuft die Zeit davon. Die Sommerpause ist gestrichen.
Den Brexit-Verhandlern läuft die Zeit davon. Beim Treffen der Europaminister zum Austritt Großbritanniens am Freitag wurde bereits über einen Sondergipfel im November spekuliert, sollte es nicht gelingen, die Scheidungsbedingungen wie geplant bis Oktober zu klären. „Wir kommen in die entscheidende Phase der Verhandlungen und haben beschlossen, dass sie intensiviert werden müssen“, sagte Österreichs Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) nach dem Treffen. Österreich werde während seines Vorsitzes alles tun, um eine Einigung zu erreichen. Ein „harter Brexit“, also ein ungeordneter Austritt, sei aber nicht vom Tisch.
Die Schlüsselfrage für die 27 Mitgliedsstaaten ist nach wie vor die „Lösung der irischen Grenzfrage“. Ohne eine Einigung werde es keinen Austrittsvertrag geben und auch keine Übergangsperiode nach dem Austritt Ende März 2o19, sagte Blümel, und rechnete vor, warum die Zeit läuft: Die Ratifizierung des Scheidungsvertrags im EU-Parlament und im britischen Parlament braucht etwa zwei Monate. „Wenn Sie das abziehen, ist eine Einigung vor Dezember notwendig“, betonte er. Schon vor der Sitzung war klar, dass es bei den Verhandlungen keine Sommerpause geben wird. Zwar sind 80 Prozent des Austrittsvertrags fertig. Das Kernproblem ist aber ungelöst: Wie kann nach dem Brexit eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland verhindert werden, um den blutigen Nordirland-Konflikt nicht wieder zu entfachen? Die britische Premierministerin Theresa May hat die im Dezember vereinbarte „Auffanglösung“mittlerweile ausgeschlossen. Diese sah vor, dass Nordirland im Warenverkehr und in der Landwirtschaft die EU-Regeln behält. Damit bräuchte es keine Kontrollen auf der grünen Insel, allerdings irgendwo zwischen Belfast und London. Grenzen im eigenen Land haben die Hardliner in Mays eigener Partei vorige Woche im Unterhaus aber niedergestimmt.
„Wir fordern keine Grenzen, sondern Kontrollen bei bestimmten Gütern“, sagte EU-Chefverhandler Michel Barnier und rief zu einer „Entdramatisierung“auf. Nächste Woche gehen die Gespräche über eine mögliche neue „Auffanglösung“weiter. „Wir akzeptieren jede Lösung, solange sie juristisch und praktisch umsetzbar ist“, sagte Barnier. Ziel sei nach wie vor, den Binnenmarkt zu bewahren und Irland vor negativen Folgen des Brexits zu schützen und so die Voraussetzungen für das künftige Verhältnis der EU mit Großbritannien zu schaffen.
Der Plan Londons für ein weitreichendes Freihandelsabkommen mit der EU, der vorige Woche präsentiert wurde, wirft „viele Fragen auf“, wie Barnier nach der Sitzung sagte – eine höfliche Umschreibung der Tatsache, dass vieles davon nicht mit EU-Recht vereinbar ist.
Es gab bereits erste Wortmeldungen, die Verhandlungen nicht zu dogmatisch zu führen. Die Leitlinien, die die EU-Staaten beschlossen hätten, seien „keine roten Linien“, sagte der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth. Mehr Entgegenkommen der EU in der Frage, wie Grenzkontrollen in Irland verhindert werden können, forderte auch Theresa May bei einem Auftritt in Belfast am Freitag. Es sei Zeit, dass die EU ihre Position weiterentwickle und „nicht umsetzbare“Vorschläge verwerfe, sagte May.