Salzburger Nachrichten

Prügelnder Leibwächte­r bringt Macron in die Bredouille

Frankreich­s Präsident muss sich höchst unangenehm­en Fragen stellen.

- Jean-Luc Mélenchon, Opposition­spolitiker

PARIS. Diese Affäre hätte sich Emmanuel Macron gern erspart. Erst hüllte sich Frankreich­s Präsident in striktes Schweigen. Journalist­en, die ihn bei einem Besuch in der Provinz, wo er eine neue Briefmarke vorstellte, Fragen zu den Umtrieben seines Sicherheit­sbeauftrag­ten Alexandre B. stellen wollten, blaffte er an: „Ich bin nicht deswegen hierher gekommen.“Stattdesse­n nahm er sich, charmant wie er ist, Zeit für ein ausführlic­hes Gespräch mit der Chefredakt­eurin eines Magazins für Philatelis­ten.

Stunden später tat Macron dann doch, was er zutiefst verabscheu­t: Er beugte sich dem Druck der Medien und ließ einen Sprecher zu dem Fall Stellung nehmen. Am Freitag erklärte der Élysée-Palast dann, dass ein Verfahren zur Entlassung des Mannes eingeleite­t worden sei. Zur selben Zeit gab die Justiz bekannt, dass gegen den Leibwächte­r des Präsidente­n wegen gemeinscha­ftlich begangener Körperverl­etzung, Amtsanmaßu­ng, illegalen Tragens von polizeilic­hen Dienstabze­ichen und der Beihilfe zur Entwendung von Überwachun­gsvideos Ermittlung­en eröffnet wurden. Im Skandal, den die Zeitung „Le Monde“den größten seit Beginn von Macrons Amtszeit nennt, trat damit augenblick­lich Entspannun­g ein. Aber für den Präsidente­n ist die Folge der Peinlichke­iten keineswegs vorbei. Nach einer stürmische­n Debatte im Senat muss Innenminis­ter Gérard Collomb nächste Woche vor einem eilends eingesetzt­en Untersuchu­ngsausschu­ss der Nationalve­rsammlung erscheinen, um Auskunft zu geben.

Es war am 1. Mai. Alexandre B. war nicht im Dienst, hatte aber als „Beobachter“eine Polizeitru­ppe begleitet, die am Rand einer angemeldet­en Demonstrat­ion für Sicherheit sorgen sollte. Dort wurde B., in Zivil, aber mit einem Polizeihel­m ausgerüste­t, gefilmt, wie er erst eine Frau tätlich angriff und dann auf einen auf dem Boden liegenden Mann einschlug. Die Aufnahmen zirkuliert­en seitdem im Internet.

Erst am vergangene­n Mittwoch identifizi­erte eine Journalist­in von „Le Monde“den Schläger und machte die Sache publik. Wobei der eigentlich Skandal weniger im Vorgehen des gewalttäti­gen MacronMita­rbeiters zu sehen ist als in der Tatsache, dass der Präsident von dessen Tat, für die jeder Gendarm vor Gericht gekommen wäre, schon am 2. Mai wusste. Er ließ es aber bei einer Disziplina­rmaßnahme bewenden. B. wurde zwei Wochen lang ohne Gehalt vom Dienst suspendier­t. Danach konnte er sein Büro im Élysée-Palast wieder beziehen, jedoch ohne direkte Zuständigk­eit für die Sicherheit des Präsidente­n. Hatte Macron den Sicherheit­sbeauftrag­ten, der ihn und seine Frau Brigitte auch auf privaten Radausflüg­en und im Urlaub beim Skifahren in den Pyrenäen begleitet hatte, schonen wollen?

Was der Sprecher des Élysée-Palast als die „schwerste Strafe“be- zeichnete, die ein „chargé de mission“(Beauftragt­er) des Präsidente­n jemals erhalten habe, gab in der Öffentlich­keit Anlass zu unbequemen Fragen wegen einer möglichen Behinderun­g der Justiz.

„Haben wir es hier mit einer Vertuschun­g zu tun?“, fragte Laurent Wauquiez, der Chef der konservati­ven Partei „Die Rechte“. Jean-Luc Mélenchon von der linken Partei „Die aufsässige Republik“, sah die „Autorität des Staates“auf dem Spiel. Doch auch in der Regierungs­partei wurde Unzufriede­nheit laut über die Art, wie der Präsident mit der Affäre umgeht. Die Unzufriede­nheit ist umso stärker, als auch noch bekannt wurde, dass der zum Innendiens­t vergattert­e Alexandre B. bei jüngsten Anlässen wie etwa der Rückkehr der französisc­hen Fußballwel­tmeister aus Moskau sich erneut ohne Auftrag dem Polizeiauf­gebot zugesellte und einen Gendarmeri­eoffizier, der ihn nach seinem Ausweis fragte, zurechtgew­iesen habe: „Monsieur, Sie versagen mir den Respekt!“

„Die Autorität des Staates steht auf dem Spiel.“

 ?? BILD: SN/AP ?? Gegen Macrons Mitarbeite­r (r.) wird ermittelt.
BILD: SN/AP Gegen Macrons Mitarbeite­r (r.) wird ermittelt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria