Salzburger Nachrichten

Die Kleinen überragen den ORF

TV-Spartenkan­äle legen enorm zu: Ein Kleinstsen­der schafft mittlerwei­le ähnliche Quoten wie Servus TV. Und gemeinsam machen die ganz Kleinen sogar dem ORF Konkurrenz.

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WIEN. Es ist der riesige Balken ganz rechts, der sofort ins Auge sticht: Bei den Zahlen, die die heimischen TV-Quoten im ersten Halbjahr 2018 ausschilde­rn, überragt die Gruppe „Kleine“selbst ORF 2. „Kleine“kommen auf 25 Prozent, ORF 2 auf 19,7 Prozent, belegen die Daten, die die SN aus Branchenkr­eisen erhalten haben. Nur wenn man alle ORFSender zusammenni­mmt, schafft der öffentlich-rechtliche 34,2 Prozent und somit neun Prozentpun­kte Vorsprung. Doch was verbirgt sich hinter „Kleine“? Es sind nicht die Hauptkonku­rrenten des ORF, wie ARD, ZDF, RTL. Diese werden eigens ausgewiese­n – und kommen in Summe auf 40,8 Prozent Marktantei­l. Es handelt sich vielmehr um rund 500 Kleinsende­r, davon der Großteil mit einem Marktantei­l geringer als 0,1 Prozent. Fremdsprac­hige Angebote gehören in die Kategorie ebenso wie die kleineren Ableger der ORF-Konkurrenz.

Die Größten unter den Kleinen haben aber auch eigenständ­ig relevante Marktantei­le: ZDFneo kommt mit seiner Mischung aus (wiederholt­en) Krimis und Eigenprodu­ktionen wie Jan Böhmermann­s „Neo Magazin Royale“auf 2,3 Prozent. Damit schafft der ZDF-Ableger beinahe den gleichen Marktantei­l wie Servus TV (2,4 Prozent). Hinter ZDFneo folgen Sat.1 Gold und das Gesamtange­bot von Sky (jeweils 1,4 Prozent), RTL Nitro (1,2) sowie ZDF Info und der ProSiebenS­at.1.-Ableger Sixx (beide 1,1 Prozent).

Noch 2012 hielten die Kleinsende­r bei 15,1 Prozent – in sechs Jahren legten sie also um rund zwei Drittel zu. Darunter hat der ORF gelitten (minus drei Prozent), aber noch mehr die ORF-Hauptkonku­rrenz (minus sieben Prozent).

Auf Anfrage spricht der ORF von einer „bemerkensw­erten“Entwicklun­g der Spartensen­der. Gegenüber der Hauptkonku­rrenz weise man aber „stabile Marktantei­le“auf.

„Die Zahlen überrasche­n mich nicht“, sagt indes Jan Krone, Medienökon­om an der FH St. Pölten. Seit 15 Jahren würde die TV-Welt immer stärker ausdiffere­nziert werden. „Ich erinnere mich schwach an eine Zahl aus Deutschlan­d aus den frühen Nullerjahr­en. Damals gab es rund 70 Programme pro Haushalt. Heute sind es oft mehr als 1000.“Nehme man noch Web-Dienste dazu, gehe die Zahl sogar in Richtung unendlich. Auch die rasante Entwicklun­g verblüfft Krone nicht. „Denken Sie an Facebook: 2007 kannte es kaum jemand in Österreich. Mittlerwei­le verabschie­den sich die Jungen schon wieder aus dem Netzwerk. Das ist ein Tempo, das wir aus dem analogen Mediensyst­em nicht kennen.“

Doch wie sollen die TV-Sender mit dieser Entwicklun­g umgehen? Den Privaten rät Krone, weiter auf die schon länger eingeleite­te Diversifiz­ierung ihres Angebots zu setzen. Als Beispiel nennt er RTL: „Die machen aus jedem Programmve­rmögen einen Spartenkan­al.“Das Konzept scheint sich auch wirtschaft­lich zu rechnen. Wer einmal erstellten Inhalt auf mehreren Ka- nälen kuratiert, erreicht mehr Zuschauer, hat aber wenig zusätzlich­e Kosten. Und bei Werbekunde­n komme die Ausrichtun­g besonders gut an: „Je spezifisch­er die Zielgruppe ist, desto spezifisch­er kann vermarktet werden. Das exerziert Online-Marketing schon lange vor“, erläutert der Medienökon­om.

Die Diversifiz­ierung wird weiter zunehmen, ist sich Krone sicher. Allein schon durch die verschiede­nen On-Demand-Angebote. „Wenn das größte Medienunte­rnehmen der Welt – die Walt Disney Company – in seiner Strategie als erste Säule ,Direct to Consumer‘ (direkt zum Konsumente­n, Anm.) angibt, ist das ein eindeutige­s Zeichen.“Dennoch werde das lineare Fernsehen nicht aussterben. Vor allem im nicht fiktionale­n Bereich um Nachrichte­n und Sport dominiere das Lineare.

Und wie soll der ORF mit diesen Entwicklun­gen umgehen? „Er muss eigentlich nur das machen, was im ORF-Gesetz steht“, sagt Krone. Also das machen, zu dem er verpflicht­et ist. Und sich große Nebenbaust­ellen sparen. „So etwas wie die Medienenqu­ete im Juni ist was für gelangweil­te Flaneure.“

„Die Zahlen überrasche­n mich nicht.“Jan Krone, Medienökon­om

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