Ein Israeli tüftelt am Wundermotor
Leichter, sparsamer und weniger wartungsintensiv. Das soll die Zukunft einer neuen Generation von Motoren sein.
GGal Fridman erinnert sich noch genau an den Tag, an dem er den Mann traf, der sein Leben veränderte: „Er sagte Dinge, die ich nicht verstand. Mir war langweilig“, meint der israelische Investor mit einem selbstironischen Lächeln. Fridman konnte sich an Zeichnungen von Motoren begeistern. Was sollte daran besonders sein, dass die Kolben sich nur hin- und herbewegten, statt eine Kurbelwelle zu drehen?
Doch ein Mit-Investor, der mit Fridman Ende 2014 bei Tel Aviv mehrere Erfinder traf, um Ideen für Start-up-Unternehmen zu finden, war überzeugt: Wenn das wirklich funktionieren sollte, wird es die Welt revolutionieren. Also investierten sie ihr Geld. Heute ist Fridman ein Fan von Motoren. Statt in Ruhestand zu gehen, wie der 58-Jährige seiner Frau noch vor drei Jahren versprochen hatte, arbeitet er als Verkaufsleiter in der Start-up-Firma Aquarius rund um die Uhr. Denn die will ab 2020 die Welt mit einer völlig neuen Art des Verbrennungsmotors erobern.
„Man hört oft von Menschen, die behaupten, sie hätten den Motor neu erfunden“, sagt Professor Roland Baar, Leiter der Abteilung für Triebstränge an der Technischen Universität Berlin. Der Innovationsdruck sei enorm, schließlich hat sich am Verbrennungsmotor seit mehr als 100 Jahren kaum etwas geändert. Egal ob ein Ford Modell T aus den 1920er-Jahren oder der neueste Ferrari: Das Prinzip blieb gleich.
Kolben bewegen sich in Zylindern auf und ab, getrieben von einem Spritgemisch, das bei jedem zweiten Zyklus gezündet und verbrannt wird. Die Kolben drehen eine Kurbelwelle, die die entstandene Kraft auf eine Achse überträgt. Doch dieser Motor hat zahlreiche Probleme: Er ist ineffizient, schwer, komplex und wartungsintensiv.
All das, sagt Fridman, soll anders werden: „Unser Motor wiegt nur etwa ein Drittel bei gleicher Leistung. Er ist billiger, effizienter, und da er aus nur zwölf Teilen besteht, von denen sich nur eines bewegt, ist er fast wartungsfrei.“Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ausgerechnet Shaul Jaakobi diesen neuen Verbrennungsmotor erfand. Jaakobi hat weder Mechanik noch Maschinenbau studiert. Dafür hat er sich „von Kindesbeinen an mit Motoren beschäftigt“, erzählt der 52 Jahre alte Familienvater. Er wuchs auf einem Bauernhof in Nahalat Jehuda unweit von Tel Aviv auf: „Als ich zwölf Jahre alt war, reparierte ich zum ersten Mal allein einen Traktor. Es war ein Ferguson.“Er gründete eine Reparaturwerkstatt für Motoren, die zu einer der größten Israels wurde. Er verkaufte sie, als er 27 war, und wurde Gutachter für Motoren – bis er vor vier Jahren bei einem beruflichen Besuch in den USA ein grundlegendes Problem erkannte: „Man stellte uns Elektroautos vor. Doch es wurde mir schnell klar, dass Batterien in absehbarer Zukunft nicht genug Energie werden speichern können, um eine Alternative zum Verbrennungsmotor zu bieten.“
Jaakobis Rezept: „Ein linearer Motor.“Die Grundidee ist einfach. „Ein Motor ist ein Gerät, das eine Form von Energie in eine andere verwandelt“, erklärt Jaakobi. Die chemische Energie des Benzins wird zum Drehmoment. Aber dabei „gab es bislang viele Teile, die sich bewegen mussten. Das bedeutet viel Reibung, an der Energie verloren geht.“Zudem sei immer nur ein Zylinder aktiv. Bei den Prototypen von Aquarius bewegt sich nur ein Kolben von rechts nach links, und das stets in derselben Frequenz. „Es gibt keine Ventile, keine Schmiermittel, nur zwölf Bauteile“, sagt Fridman. Der Motor erzeugt nämlich gar kein Drehmoment, sondern Strom. Er ist ein Generator.
Um das Produkt serienreif zu machen, hat die israelische Firma ein Forschungslabor in Aachen eröffnet: „Das ist das Hollywood der Motorindustrie“, betont Fridman. „In Israel wäre es kein Problem gewesen, Ingenieure für Flugzeug- oder Raketenmotoren zu finden. Aber wer einen guten Motor für Autos bauen will, muss nach Deutschland.“
Der Berliner Techniker Roland Baar bleibt skeptisch. Interessant werde es erst, sobald die Motoren in Schiffe und Autos eingebaut werden: „Die Idee, wir könnten alle bald Elektroautos fahren, ist abstrus“, meint er nämlich. Es gebe weder Kapazitäten, um die notwendige Strommenge umweltfreundlich herzustellen, noch könne das Stromnetz gleichzeitig Hunderttausende Fahrzeuge aufladen. Ein leichter, kompakter Motor indes könnte den Automarkt revolutionieren.
Fridman schätzt: „Ein Aquarius-Motor für ein Hybridauto dürfte etwa so groß werden wie eine Tasche im Handgepäck und nicht mehr als 20 Kilogramm wiegen.“Mit einem solchen Motor könnten Hybridautos weitaus billiger werden als heutige Modelle, mit einer Reichweite von zirka 1000 Kilometern pro Tankfüllung. „Sie würden ein Massenprodukt“, meint Fridman.
Selbst der Skeptiker Baar findet diese Idee „clever, den Ansatz spannend“. Von der Massenproduktion eines Automotors ist die Firma aber laut Angaben von Fridman noch Jahre entfernt. „Sie wird dafür noch viele technische Hürden nehmen müssen“, schätzt auch Baar. Das sei zwar schwierig, „ist aber bestimmt nicht unmöglich“.