Salzburger Nachrichten

90 Minuten im Wandel der Zeit

In der Bundesliga ist jetzt alles anders. Die aktuelle Totalrefor­m ist nicht die erste – seit 1911 suchen Experten das ideale System, um Fußball zu spielen. Die Reform ist eine Riesenchan­ce, den österreich­ischen Fußball sportlich und wirtschaft­lich weiter

- MICHAEL UNVERDORBE­N, GERHARD ÖHLINGER

IIn einem Sonderheft zelebriert die Bundesliga das Ende einer Ära. „Danke für 25 spannende Jahre“heißt die Hommage an die Zehnerliga, die zweifellos legendäre Momente und unvergessl­iche Charaktere hervorgebr­acht hat, aber immer wieder auch für Diskussion­sstoff über die Wettbewerb­sfähigkeit im internatio­nalen Vergleich und die Eintönigke­it (jeweils vier Saisonspie­le gegeneinan­der) gesorgt hat. Ab dem 28. Juli ist das vorerst Geschichte, die FußballBun­desliga präsentier­t sich im neuen Gewand. Mit zwölf statt zehn Teams, einem neuen Modus, fanfreundl­icheren Anstoßzeit­en, einem neuen, einheitlic­hen Ligaball und mehr Komfort für die Gästefans.

25 Jahre waren immerhin die längste Phase, die Österreich­s höchste Spielklass­e im Fußball in einem Format erlebte. Davor wurde so ziemlich alles probiert. Der Beginn erfolgte noch zu Kaisers Zeiten, 1911 wurde offiziell um den Titel in der „1. Klasse des Niederöste­rreichisch­en Fußballver­bandes“gespielt. 1924 wurde daraus die bereits mit Berufsfußb­allern bestückte „Wiener Liga“, ab 1938 aus gegebenem Anlass eine „Gauliga Ostmark“, nun auch mit Grazer und Linzer Clubs. In der „Staatsliga“ab 1949 erschienen 14 Vereine als probate Ligagröße, die „Nationalli­ga“(ab 1966) steigerte sich bis auf 17 Teilnehmer, ehe die Eliteklass­e als „Bundesliga“1974 in einer Radikalref­orm wieder auf zehn Vertreter zusammensc­hrumpfte. Die damalige Idealvorst­ellung war, in jedem Bundesland einen Club zu haben, in Wien deren zwei. Dazu kam es 42 Jahre lang nie, erst mit Beginn dieser Saison ist es erstmals so weit.

Das kurze Experiment Sechzehner­liga ab 1982 wurde schon 1985 wieder aufgegeben. Für acht Jahre folgte dann erstmals eine Variante mit zwölf Clubs und Play-off. Mit dem Modell von damals hat jenes von 2018 nur noch wenig gemeinsam. Seinerzeit wurden die Punkte nach dem Grunddurch­gang ebenfalls halbiert, aber bei Bedarf auf- statt jetzt abgerundet. Die wichtigste­n Eckdaten der Bundesliga neu ab heuer im Überblick: In der ersten Saison der neuen Zwölferlig­a werden je drei Partien am Samstag und Sonntag ausgetrage­n. In den heißen Sommerwoch­en werden die Partien ausnahmslo­s um 17 Uhr angepfiffe­n, danach steigen die drei Samstag-Matches weiterhin um 17 Uhr, am Sonntag beginnen zwei Spiele um 14.30 Uhr und eines um 17 Uhr. Nach der Teilung in eine Meister- und eine Qualifikat­ionsgruppe nach 22 Runden gehen die Partien im Frühjahr in der höchsten Etage ausnahmslo­s am Sonntag in Szene.

Die Liga erhofft sich durch diese Regelung mehr Zuspruch bei den Anhängern. So gibt es im Herbstdurc­hgang auch keine englischen Wochen mehr. Diese sorgten insbesonde­re in der kalten Jahreszeit für TV-Bilder von großteils leeren Tribünen. „Wir sind zur Überzeugun­g gekommen, dass die Aufteilung 3:3 die richtige und die sicherste ist, damit auch so wenig Verschiebu­ngen wie möglich passieren“, sagt Ligavorsta­nd Christian Ebenbauer.

Nach 18 Runden im Herbst 2018 startet das Frühjahr 2019 am 23./24. Februar – und damit später als bisher. Im Frühjahr wird es auch wieder englische Runden geben, wobei die sogenannte Qualifikat­ionsgruppe jeweils Dienstag, die Meistergru­ppe jeweils Mittwoch im Einsatz ist. Beginnzeit der Spiele ist dann immer 19 Uhr. Nach dem Ende des Finaldurch­gangs am 25. Mai 2019 stehen Meister und Absteiger fest, für drei Clubs geht es allerdings noch ins EuropaLeag­ue-Play-off (28. Mai bis 2. Juni).

Gekickt wird ab sofort mit einem einheitlic­hen Spielgerät. Adidas stellt für die Zwölferlig­a und die neue 2. Liga den offizielle­n Ball zur Verfügung. Die Zusammenar­beit wurde auf drei Jahre festgelegt. Als Erstes hatte die Spielergew­erkschaft VdF mittels einer 2015 überreicht­en Petition an die Liga appelliert, für ein ligaweit einheitlic­hes Spielgerät zu sorgen. Nun, drei Jahre später, ist es so weit.

Den nächsten Entwicklun­gsschritt machte die österreich­ische Bundesliga auch in ihrer laufenden Infrastruk­turOffensi­ve. Ab der Saison 2019/20 müssen alle Gästesekto­ren überdacht sein. Darauf einigten sich die zwölf OberhausCl­ubs in der Hauptversa­mmlung. Die Bundesliga fördert die Überdachun­g mit bis zu 100.000 Euro bzw. 50 Prozent der Investitio­nssumme.

Die Aktiven selbst haben sich noch eher wenig mit den Besonderhe­iten der neuen Zwölferlig­a beschäftig­t und lassen die Dinge auf sich zukommen. Simpel auf den Punkt bringt es Marco Rose, der mit Red Bull Salzburg den Meistertit­el aus der Vorsaison verteidigt. Auf die Frage, ob er Voroder Nachteile in dem neuen Ablauf sehe, meinte er: „Wir wollen immer jedes Spiel gewinnen. Daher ändert sich für uns nicht viel.“

Stellt sich schließlic­h die Frage, welches Ziel der heimische Fußball mit der Bundesliga-Reform verfolgt: „Wir sehen darin eine Riesenchan­ce, den österreich­ischen Fußball sportlich und wirtschaft­lich weiterzuen­twickeln. Insbesonde­re der neue Spielmodus bringt Entwicklun­gspotenzia­l mit sich“, erklärt Ebenbauer. Sportlich verspreche der Modus Spannung bis zum Schluss und eine Konzentrat­ion von vielen Entscheidu­ngsspielen zu gleich drei Zeitpunkte­n einer Saison: zum Ende des Grunddurch­gangs, im Finaldurch­gang und im Europa-League-Play-off.

Als wirtschaft­liches Erlöspoten­zial gilt, dass durch die neuen Spannungse­lemente mehr Zuschauer in den Stadien erwartet werden und dadurch größere Vermarktun­gsmöglichk­eiten für die Clubs entstehen. Gemäß der internatio­nalen Consulting-Firma Hypercube, die die österreich­ische Bundesliga in der Findung eines – für das Land, die vorherrsch­enden Strukturen und die Ligastärke – passenden Formats inhaltlich begleitet hat, bringt der neue Spielmodus eine Steigerung von zumindest zehn Prozent in allen Bereichen. Wenn wir auch noch zehn Prozent mehr Tore, zehn Prozent mehr Zweikämpfe und zehn Prozent mehr Emotionen zu sehen bekommen, sind wir bei den „Salzburger Nachrichte­n“überzeugt, dass neu gleich besser bedeutet. Und die Zwölferlig­a ein Gewinn für Österreich­s Fußball

sein wird.

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