Möcht mol aaner?
Die Digitalisierung schafft neue Berufsbilder, während manche traditionelle Berufe verschwinden. Dass sich die Arbeitswelt angesichts des technischen Fortschritts wandelt, ist nicht neu. So findet man Federschmücker, Haftelmacher und Sesselträger heute selten. Federschmücker stellten aus dem gereinigten und entfetteten Gefieder heimischer und exotischer Vögel Accessoires her, vom Hutschmuck bis zu künstlichen Blumen. Nicht nur in Rio stehen Taxifahrer im schlechten Ruf, rasant und rücksichtslos zu fahren; nicht viel anders war es bei den Sesselträgern, die zu zweit vom frühen 17. Jahrhundert bis in das 19. Jahrhundert hinein ihre Kundschaften im Eilschritt durch die Großstädte trugen; wehe dem, der nicht rechtzeitig auswich! „Aufpassen wie ein Haftelmacher“musste der Handwerker, der aus Draht feine Heftlein mit Ösen herstellte, denn genaues Arbeiten war Pflicht. Der Mühlenbauer wusste schon vor dem industriellen Zeitalter die Kraft von Wind und Wasser zu nutzen. Man brauchte Mühlen u. a. zum Getreidemahlen, um Textilien für die Papierherstellung einzustampfen und in den Lustgärten der Barockschlösser die Fontänen sprudeln zu lassen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts rümpfte man zunehmend die Nase, wenn jemand seine Notdurft ungeniert auf der Straße verrichtete. Da öffentliche WCs erst im 19. Jahrhundert aufkamen, halfen mit Eimern ausgerüstete Abtrittanbieter weiter (Bild rechts). Ihre Umhänge boten den Kunden Sichtschutz, mit lauten Rufen machten sie beispielsweise auf der Frankfurter Messe auf sich aufmerksam: „Möcht mol aaner?“Alexandra Bleyer