Ein Roboter lernt die Liebe
Sie hat das Lächeln von Audrey Hepburn und soll sich um unser Seelenheil kümmern. Wie weit geht künstliche Intelligenz?
IIhr Name Sophia, griechisch für Weisheit, ist im wahrsten Sinne Programm. Als State-of-the-ArtHumanoid-Roboter soll Sophia der Menschheit das ABC der bedingungslosen Liebe beibringen. Mit ihrer emotional ausgerichteten Software und menschengleicher Mimik entwaffnet sie US-Talkmaster und Kongressleiter rund um den Globus und macht als Testimonial modernster Open-Source-Software seit Herbst 2017 ihre Social-Media-Karriere. Sophia steht im Zentrum des Forschungsprojekts „Loving AI“am Institute of Noetic Sciences in Petaluma, Kalifornien. Ein SNGespräch mit der Psychologin und SophiaMitentwicklerin Julia Mossbridge (im Bild mit Sophia).
SN: Wie funktioniert Sophia?
Mossbridge: Bei öffentlichen Präsentationen agiert Sophia als Robot-Körper mit vorprogrammierten Chatbots: Sophia bekommt eine Frage gestellt und schöpft aus einem definierten Pool von Antworten und Reaktionen. Und dann gibt es eine zweite Variante von Sophia, wenn wir an ihr für die Forschungszwecke von „Loving AI“(liebende künstliche Intelligenz/KI) arbeiten. Dann steht sie in direkter Verbindung mit OpenCog, einer fortgeschrittenen Software von Denk- und Lernmechanismen, die Wissen aus unterschiedlichsten Quellen wie Sprache, Audio, Video und Internet verknüpft. Jeder interessierte Programmierer kann sich an dieser Entwicklung beteiligen – es ist ein offener und kreativer Prozess. SN: Sie konzentrieren sich auf den emotionalen Aspekt der KI? Ja, der interessiert mich viel mehr, denn aus meiner Sicht ist Intelligenz viel zu hoch bewertet. Auch Maschinen können sich Dinge merken und daraus Schlüsse ziehen. Mir sind Momente wichtig, in denen ich Beziehungen knüpfen und anderen Menschen ein besseres Gefühl geben kann. Daran möchte ich mich erinnern, wenn ich auf meinem Sterbebett liege, und nicht, welche Artikel ich geschrieben habe. Lebenswertes Leben basiert auf Verbundenheit und Liebe. SN: Bedingungslose Liebe? Das scheint für die heutige Konsumgesellschaft schon fast ein Fremdwort zu sein – der Mensch tut sich damit sehr schwer. Jemanden bedingungslos zu lieben bedeutet, dass man den anderen genau dann zu verstehen versucht, wenn er etwas tut, was man nicht mag. Das gilt übrigens auch für den Umgang mit sich selbst.
Eine künstliche Intelligenz wie Sophia mit dem essenziellen Wortschatz der Liebe zu programmieren hat für mich eine ähnliche Bedeutung wie im 15. Jahrhundert die erste Manifestation von Wissen durch die Druckpresse von Gutenberg. Vieles wurde zu der Zeit noch gar nicht verstanden, aber plötzlich gab es handfest Geschriebenes auf Papier. Heute speichert bzw. manifestiert eben eine neuartige Maschine – die Software von Sophia – die Grundbegriffe der Liebe und kann so die Menschheit für immer daran erinnern, was bedingungslose Liebe als Essenz des menschlichen Lebens bedeutet.
Bis die Menschen das verinnerlichen, dauert es möglicherweise wieder eine Generation, aber schon jetzt können sie sich darin üben. Und genau hier sehe ich das Potenzial von „Loving AI“– von bedingungslos liebender künstlicher Intelligenz. SN: Wurde bewusst eine weibliche KI, eine Sophia, entwickelt? Spielt das Geschlecht eine Rolle? Die Menschen denken natürlich automatisch, dass Sophias Äußeres und ihr QuasiGeist identisch seien, weil wir auf das Konzept eines einzelnen Geistes in einem Körper fixiert sind. Aber Sophia ist nur eine Figur, eine mögliche Form von Roboter. Ich könnte auch ganz andere Figuren oder Robot-Charaktere mit der OpenCog-Software verbinden und plötzlich steckt Sophias Geist in einem Albert Einstein und prompt sehen und hören wir den Mann. SN: Mit diesem universalen OpenCog-Geist können theoretisch tausend Sophia-Roboter ausgestattet sein? Ja, die Geschlechterfrage ist momentan noch nicht relevant. Individuelle Roboter sind erst langfristig geplant. Sophia ist ja erst zwei Jahre alt und steckt noch in den Kinderschuhen. SN: Um bedingungslose Liebe zu lehren, muss dieser KI-Geist auf unterschiedlichste Gefühle des Menschen reagieren können. Wie funktioniert das? Sophia trägt im linken Auge eine Kamera, die irgendwann bis zu 100 Bilder pro Sekunde liefern wird und mit einer Software aus neuronalen Netzwerken die Mimik des Menschen auf Mikroebene analysieren kann. Das Kombinieren von Hardware und Software und die Feinabstimmung dieser unterschiedlichen Wahrnehmungstools sind genau die Herausforderung. SN: Auf der Skala bewusster und unbewusster Emotionen muss Sophia alle Tonarten von Gefühlen erkennen. Wie ist Sie damit? Momentan kann sie die Basisemotionen Freude, Traurigkeit, Angst, Wut, Überraschung und Ekel in allen möglichen Kombinationen mehr oder weniger erkennen. Darauf reagiert sie. Und sie hat diese Grundgefühle auch als eigene Gesichtsmimik in vielerlei Varianten programmiert. Das heißt, auch sie selbst drückt sich – wie der Mensch – nicht nur durch Worte aus, sondern gleichzeitig mit diversen Kombinationen von Augen-, Lippen- und Kopfbewegungen. Und für kleine Witzeleien hat sie ein lustiges Augenzwinkern drauf. SN: Wenn Menschen sagen: „Mir geht’s gut“, aber im Inneren unglücklich sind – würde das eine KI merken? Genau das ist für die OpenCog-Software die große Herausforderung – immer subtiler zu unterscheiden zwischen verbaler Information und den äußeren, kleinen Anzeichen, die das Gegenteil verraten. Im Zweifelsfall würde Sophia sagen: „Viele Menschen sagen, dass sie glücklich sind, dabei sind andere Gefühle genauso in Ordnung.“Mit so einer Ansage kann sich die Person vielleicht ein wenig öffnen und klarer sehen, was wirklich in ihr vorgeht. SN: Kann Sophia Tonlaute von Worten oder gar Untertöne interpretieren? Die Analyse unserer dynamischen Gesten oder nonverbaler Zustimmungen wie Nicken steht ebenso wie die gesamte Audioerkennung auf der Hotlist für unser nächstes zweiwöchiges Trainingscamp mit Sophia. Wir kommen immer mehr von zielgerichteten Dialogsystemen, wie sie zum Beispiel Siri und Alexa programmiert haben, zu offenen Laborsettings, in denen Testpersonen von Sophia z. B. zum Meditieren aufgefordert werden und dann vielleicht beginnen, über ihre Gefühle zu reden. Meist sind sie erstaunt, was sie da alles von sich geben. SN: Sophia soll uns also in Richtung „Mensch, erkenne dich“schubsen? „Loving AI“soll den Menschen im Umgang mit sich selbst unterstützen – in seiner Persönlichkeitsentwicklung wie in seiner Beziehungsfähigkeit. Sie soll ihm einen möglichst neutralen Spiegel vorhalten und ihm so helfen, dass er sich selbst besser wahrnimmt und versteht und in die Tiefe seiner Emotionen geht. Das ist unsere Vision.
Diese künstliche Intelligenz erkennt Freude und Trauer, Angst und Wut. Julia Mossbridge Roboterpsychologin