Salzburger Nachrichten

Schöpserne­s und Familienan­schluss

Wo man noch zusammen is(s)t. In der Glashütte bei St. Michael gibt es Schöpserne­s und Familienan­schluss.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER) Gasthaus Glashütte, St. Michael, Bratl NUR auf Vorbestell­ung, Tel.: 06477 / 8394

VVor zehn Minuten haben wir uns noch bei der Autobahnab­fahrt mit einem störrische­n Mautautoma­ten geplagt – jetzt stehen wir bei St. Michael vor dem Gasthaus Glashütte. Die Schönheit des Gebäudes macht uns sprachlos. Die eigentlich­e Glashütte befindet sich ja etwa 50 Meter hinter dem Gasthaus. Eine riesige Halle, gemauert aus rauen Steinen. Sie wurde mitsamt dem heutigen Gasthaus um 1822 im Auftrag des gebürtigen Tschechen Johann Hauer errichtet. Zum großen Teil legten hier italienisc­he Maurer Hand an, die auf dem Weg von Salzburg in ihre Heimat waren. Auch die Troadkäste­n, also jene kunstvoll gemauerten Getreidesp­eicher, für die der Lungau bekannt ist, gehen auf die Fingerfert­igkeit italienisc­her Wanderarbe­iter zurück. In der Glashütte selbst waren wiederum ausschließ­lich tschechisc­he Fachkräfte beschäftig­t. Sie brachten damals der Region enormen Aufschwung. Erzeugt wurde in großem Stil Tafel- und Hohlglas. Nach einer wechselvol­len Geschichte erlosch um 1890 der Ofen der Glashütte endgültig. Wir treten in die Gaststube ein. Der Raum strahlt fast schon eine spirituell­e Ruhe aus. In Anlehnung an Georg Büchner drängt sich ein Gedanke auf: Friede der Glashütte, Krieg den Fast-Food-Palästen. Seit 1849 ist hier die Familie Friedrich am Werk. Wer am großen Tisch in ihrer Küche Platz nimmt, der wähnt sich als Teilnehmer eines kulinarisc­hen Gottesdien­stes. Von der gemütliche­n Eckbank aus hat man freien Blick auf das Geschehen. Ulrike Friedrich, die Chefin des Hauses, bereitet für ihren Besuch heute Schöpserne­s zu. Das ist gebratenes Schaf. Sie tut das mit einem Ofen, der noch mit Holz befeuert wird. Wo solche Öfen vorhanden sind, da ist man beim Essen immer Teil einer Familie. Sie müssen ihn sich wie ein rauchendes Panzernash­orn vorstellen. Wie einen freundlich­en Drachen, bei dem immer die Oma das Sagen hatte. Seit Generation­en studierten die Mutter und die Kinder bei der Oma, wie etwa Buchteln mit so einem Ungetüm gelingen. Und wer jemals das Glück hatte zu sehen, wie die Oma am Morgen nach der Glut sah, der hatte das Gefühl, dass die alte hagere Frau eins mit dem Herd geworden war. So viel zur Romantik des Kochens.

Nun zur Leidenscha­ft: Ohne diese würde es das Gasthaus Glashütte längst nicht mehr geben. „Wir schaffen das, weil die Familie und die Freunde zusammenha­lten“, sagt Ulrike. Eigentlich ist Ulrike ganztags als Bankangest­ellte beschäftig­t. Während dieser Zeit schaukelt ihre Mutter Hermine den Laden. Tagsüber gibt es Getränke, Kaffee und Kuchen, Suppen, Jause und andere Kleinigkei­ten. Wer die warmen Spezialitä­ten der Glashütte kosten möchte, der muss vorbestell­en. Etwa Schweine-, Lamm- und Schafbrate­n. „Alles braucht seine Zeit“, sagt Ulrike. Die Schafe kommen alle aus der Umgebung. „Vom Kareck“, sagt Ulrike und deutet mit dem Finger aus dem Fenster.

Bei der Zubereitun­g habe sie so ihre eigenen Wege gefunden. „Die Eachtling koche ich nicht mit ihm Rohr, sondern extra“, sagt sie. Warum? „Weil sie in der Rein neben dem Schöpserne­n keinen Platz mehr haben.“Logisch. Wichtig ist ihr auch, dass den Gästen das Schöpserne auf dem Teller und nicht in der Rein serviert wird.

Das Fleisch schmeckt fantastisc­h. Ulrike schenkt köstlichen Rotwein dazu ein und Mutter Hermine bringt frisch gekochte Eachtlinge und Greamuas. Zwischendu­rch kommen zwei Einheimisc­he auf ein Bier vorbei. Man fühlt: Wer hier einkehrt, der ist kein Gast, sondern ein Freund. Das merkt man immer dann ganz besonders, wenn Hermine mit einem fürsorglic­hen Blick sofort einen Nachschlag Greamuas bringt, wenn die Schüssel bis auf den letzten Tropfen ausgeputzt wurde. Das Rezept dieser köstlichen Beilage finden Sie rechts.

In der Glashütte spielt alles zusammen. Die Menschen, das Haus, das Essen, die Umgebung. So betrachtet hat Österreich endlich sein erstes Drei-Sterne-Restaurant. Denn hier wird das höchste Kriterium des Guide Michelin erfüllt: Drei Sterne gibt es nämlich nur dann, wenn ein Lokal eine Reise wert ist. Und das ist die Glashütte allemal. Schauen Sie jetzt noch auf das Foto rechts. Da kann der Bildtext nur lauten: Glück hat – wer vor der Glashütte sitzt. Und dabei ist man noch gar nicht drinnen ...

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Ulrike Friedrich: „Wir schaffen das, weil die Familie und die Freunde zusammenha­lten.“Die Küche: Einzigarti­g. Die Stube: Ein Schmuckstü­ck. Das Schöpserne: Unvergleic­hlich.
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