Schöpsernes und Familienanschluss
Wo man noch zusammen is(s)t. In der Glashütte bei St. Michael gibt es Schöpsernes und Familienanschluss.
VVor zehn Minuten haben wir uns noch bei der Autobahnabfahrt mit einem störrischen Mautautomaten geplagt – jetzt stehen wir bei St. Michael vor dem Gasthaus Glashütte. Die Schönheit des Gebäudes macht uns sprachlos. Die eigentliche Glashütte befindet sich ja etwa 50 Meter hinter dem Gasthaus. Eine riesige Halle, gemauert aus rauen Steinen. Sie wurde mitsamt dem heutigen Gasthaus um 1822 im Auftrag des gebürtigen Tschechen Johann Hauer errichtet. Zum großen Teil legten hier italienische Maurer Hand an, die auf dem Weg von Salzburg in ihre Heimat waren. Auch die Troadkästen, also jene kunstvoll gemauerten Getreidespeicher, für die der Lungau bekannt ist, gehen auf die Fingerfertigkeit italienischer Wanderarbeiter zurück. In der Glashütte selbst waren wiederum ausschließlich tschechische Fachkräfte beschäftigt. Sie brachten damals der Region enormen Aufschwung. Erzeugt wurde in großem Stil Tafel- und Hohlglas. Nach einer wechselvollen Geschichte erlosch um 1890 der Ofen der Glashütte endgültig. Wir treten in die Gaststube ein. Der Raum strahlt fast schon eine spirituelle Ruhe aus. In Anlehnung an Georg Büchner drängt sich ein Gedanke auf: Friede der Glashütte, Krieg den Fast-Food-Palästen. Seit 1849 ist hier die Familie Friedrich am Werk. Wer am großen Tisch in ihrer Küche Platz nimmt, der wähnt sich als Teilnehmer eines kulinarischen Gottesdienstes. Von der gemütlichen Eckbank aus hat man freien Blick auf das Geschehen. Ulrike Friedrich, die Chefin des Hauses, bereitet für ihren Besuch heute Schöpsernes zu. Das ist gebratenes Schaf. Sie tut das mit einem Ofen, der noch mit Holz befeuert wird. Wo solche Öfen vorhanden sind, da ist man beim Essen immer Teil einer Familie. Sie müssen ihn sich wie ein rauchendes Panzernashorn vorstellen. Wie einen freundlichen Drachen, bei dem immer die Oma das Sagen hatte. Seit Generationen studierten die Mutter und die Kinder bei der Oma, wie etwa Buchteln mit so einem Ungetüm gelingen. Und wer jemals das Glück hatte zu sehen, wie die Oma am Morgen nach der Glut sah, der hatte das Gefühl, dass die alte hagere Frau eins mit dem Herd geworden war. So viel zur Romantik des Kochens.
Nun zur Leidenschaft: Ohne diese würde es das Gasthaus Glashütte längst nicht mehr geben. „Wir schaffen das, weil die Familie und die Freunde zusammenhalten“, sagt Ulrike. Eigentlich ist Ulrike ganztags als Bankangestellte beschäftigt. Während dieser Zeit schaukelt ihre Mutter Hermine den Laden. Tagsüber gibt es Getränke, Kaffee und Kuchen, Suppen, Jause und andere Kleinigkeiten. Wer die warmen Spezialitäten der Glashütte kosten möchte, der muss vorbestellen. Etwa Schweine-, Lamm- und Schafbraten. „Alles braucht seine Zeit“, sagt Ulrike. Die Schafe kommen alle aus der Umgebung. „Vom Kareck“, sagt Ulrike und deutet mit dem Finger aus dem Fenster.
Bei der Zubereitung habe sie so ihre eigenen Wege gefunden. „Die Eachtling koche ich nicht mit ihm Rohr, sondern extra“, sagt sie. Warum? „Weil sie in der Rein neben dem Schöpsernen keinen Platz mehr haben.“Logisch. Wichtig ist ihr auch, dass den Gästen das Schöpserne auf dem Teller und nicht in der Rein serviert wird.
Das Fleisch schmeckt fantastisch. Ulrike schenkt köstlichen Rotwein dazu ein und Mutter Hermine bringt frisch gekochte Eachtlinge und Greamuas. Zwischendurch kommen zwei Einheimische auf ein Bier vorbei. Man fühlt: Wer hier einkehrt, der ist kein Gast, sondern ein Freund. Das merkt man immer dann ganz besonders, wenn Hermine mit einem fürsorglichen Blick sofort einen Nachschlag Greamuas bringt, wenn die Schüssel bis auf den letzten Tropfen ausgeputzt wurde. Das Rezept dieser köstlichen Beilage finden Sie rechts.
In der Glashütte spielt alles zusammen. Die Menschen, das Haus, das Essen, die Umgebung. So betrachtet hat Österreich endlich sein erstes Drei-Sterne-Restaurant. Denn hier wird das höchste Kriterium des Guide Michelin erfüllt: Drei Sterne gibt es nämlich nur dann, wenn ein Lokal eine Reise wert ist. Und das ist die Glashütte allemal. Schauen Sie jetzt noch auf das Foto rechts. Da kann der Bildtext nur lauten: Glück hat – wer vor der Glashütte sitzt. Und dabei ist man noch gar nicht drinnen ...