Salzburger Nachrichten

Bauen wir für den nächsten Wahlkampf vor

Die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses zeigt: Wahlzeiten sind keine gute Zeit für Gesetzesbe­schlüsse.

- Alexander Purger

Erinnern Sie sich noch? Vor ziemlich genau einem Jahr hat der Nationalra­t die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses beschlosse­n. Die SPÖ brachte den Antrag unter dem dynamische­n Motto „Erledigen wir’s gleich“ein und in Windeseile stimmten alle Parteien (mit Ausnahme der Neos) zu. Über eine „überfallsa­rtige“Entscheidu­ng wie jetzt bei der Arbeitszei­t-Flexibilis­ierung regte sich damals niemand auf. Über die Kosten und Detailrege­lungen zerbrach sich auch niemand den Kopf. Schließlic­h stand die Nationalra­tswahl vor der Tür.

Die „rasche und unbürokrat­ische Lösung“, die damals allseits gelobt wurde, hat freilich ihre Tücken. Immer klarer stellt sich heraus, dass eine weniger rasche und dafür durchdacht­e Vorgangswe­ise klüger gewesen wäre. Denn ständig tauchen neue, ungelöste Rechtsfrag­en auf. Die Modalitäte­n der Abschaffun­g beschäftig­en mittlerwei­le die Höchstgeri­chte. Betroffene sind verunsiche­rt. Und über die Kosten des locker-flockigen Nationalra­tsbeschlus­ses werden Bund, Länder und Gemeinden noch lange streiten. Wer trägt die Verantwort­ung für den Pallawatsc­h?

Niemand. Von denen, die damals mitstimmte­n, sitzen viele gar nicht mehr im Parlament. Und auch diejenigen, die noch da sind, können nicht verantwort­lich gemacht werden. Denn während Bürgermeis­ter für ihre Entscheidu­ngen mit ihrem Privatverm­ögen haften, ist das bei Abgeordnet­en nicht der Fall.

Das führte zu der kuriosen Situation, dass mehrere Bürgermeis­ter in ihrer Funktion als Abgeordnet­e dem Gesetz über die Pflegeregr­ess-Abschaffun­g im Nationalra­t zustimmten, während sie im Gemeindebu­nd jetzt den Kopf über die Folgen des Beschlusse­s schütteln und meinen, eine umfassende Pflegerefo­rm wäre gescheiter gewesen als ein übereilter Gesetzesbe­schluss im Wahlkampff­ieber.

Schon im Wahlkampf 2013 trat klar zutage, dass die hektischen Tage und Wochen vor einer Nationalra­tswahl nicht geeignet sind, um fundierte legistisch­e Arbeit zu leisten. Vier Tage vor der Wahl wurden damals Beschlüsse gefasst, die Milliarden kosteten. Milliarden, die nicht vorhanden waren.

Schon damals tauchte die Forderung auf, kostspieli­ge oder sonst wie weitreiche­nde Beschlüsse im Wahlkampf zu verbieten. Doch passiert ist es nicht. Im Wahlkampf 2017 wurden daher neuerlich teure und – siehe Pflegeregr­ess – nicht ausreichen­d vorbereite­te Gesetze beschlosse­n. Wieder gab es Rufe, derlei Vorgänge doch in Zukunft zu unterbinde­n. Aber wieder geschah nichts.

Jetzt, da weit und breit keine Nationalra­tswahl in Sicht ist, wäre der geeignete Zeitpunkt, das Thema in Ruhe zu diskutiere­n. Die Politik sollte ein für alle Mal festlegen, dass sie in den ein bis zwei Monaten vor einer Wahl keine wichtigen Gesetzesbe­schlüsse mehr fasst. Die Bürger würden es ihr danken. WWW.SN.AT/PURGER

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