Bauen wir für den nächsten Wahlkampf vor
Die Abschaffung des Pflegeregresses zeigt: Wahlzeiten sind keine gute Zeit für Gesetzesbeschlüsse.
Erinnern Sie sich noch? Vor ziemlich genau einem Jahr hat der Nationalrat die Abschaffung des Pflegeregresses beschlossen. Die SPÖ brachte den Antrag unter dem dynamischen Motto „Erledigen wir’s gleich“ein und in Windeseile stimmten alle Parteien (mit Ausnahme der Neos) zu. Über eine „überfallsartige“Entscheidung wie jetzt bei der Arbeitszeit-Flexibilisierung regte sich damals niemand auf. Über die Kosten und Detailregelungen zerbrach sich auch niemand den Kopf. Schließlich stand die Nationalratswahl vor der Tür.
Die „rasche und unbürokratische Lösung“, die damals allseits gelobt wurde, hat freilich ihre Tücken. Immer klarer stellt sich heraus, dass eine weniger rasche und dafür durchdachte Vorgangsweise klüger gewesen wäre. Denn ständig tauchen neue, ungelöste Rechtsfragen auf. Die Modalitäten der Abschaffung beschäftigen mittlerweile die Höchstgerichte. Betroffene sind verunsichert. Und über die Kosten des locker-flockigen Nationalratsbeschlusses werden Bund, Länder und Gemeinden noch lange streiten. Wer trägt die Verantwortung für den Pallawatsch?
Niemand. Von denen, die damals mitstimmten, sitzen viele gar nicht mehr im Parlament. Und auch diejenigen, die noch da sind, können nicht verantwortlich gemacht werden. Denn während Bürgermeister für ihre Entscheidungen mit ihrem Privatvermögen haften, ist das bei Abgeordneten nicht der Fall.
Das führte zu der kuriosen Situation, dass mehrere Bürgermeister in ihrer Funktion als Abgeordnete dem Gesetz über die Pflegeregress-Abschaffung im Nationalrat zustimmten, während sie im Gemeindebund jetzt den Kopf über die Folgen des Beschlusses schütteln und meinen, eine umfassende Pflegereform wäre gescheiter gewesen als ein übereilter Gesetzesbeschluss im Wahlkampffieber.
Schon im Wahlkampf 2013 trat klar zutage, dass die hektischen Tage und Wochen vor einer Nationalratswahl nicht geeignet sind, um fundierte legistische Arbeit zu leisten. Vier Tage vor der Wahl wurden damals Beschlüsse gefasst, die Milliarden kosteten. Milliarden, die nicht vorhanden waren.
Schon damals tauchte die Forderung auf, kostspielige oder sonst wie weitreichende Beschlüsse im Wahlkampf zu verbieten. Doch passiert ist es nicht. Im Wahlkampf 2017 wurden daher neuerlich teure und – siehe Pflegeregress – nicht ausreichend vorbereitete Gesetze beschlossen. Wieder gab es Rufe, derlei Vorgänge doch in Zukunft zu unterbinden. Aber wieder geschah nichts.
Jetzt, da weit und breit keine Nationalratswahl in Sicht ist, wäre der geeignete Zeitpunkt, das Thema in Ruhe zu diskutieren. Die Politik sollte ein für alle Mal festlegen, dass sie in den ein bis zwei Monaten vor einer Wahl keine wichtigen Gesetzesbeschlüsse mehr fasst. Die Bürger würden es ihr danken. WWW.SN.AT/PURGER