Die Rettung der Retter
Die syrische Hilfsorganisation Weißhelme hat im Bürgerkrieg mehr als 114.000 Menschen gerettet. Jetzt waren ihre Mitarbeiter selbst auf Hilfe angewiesen.
Sie kommen im Schutz der Dunkelheit an die israelische Grenze auf den Golanhöhen. Hunderte Flüchtlinge aus Syrien, im Süden des Landes seit Tagen gefangen zwischen der anrückenden syrischen Armee und dieser abgeschotteten Barriere zwischen zwei verfeindeten Staaten. Hier befindet sich normalerweise eine Sackgasse. Doch am Samstagabend öffnet sich die Grenze. Es ist die Rettung für die 800 Menschen – Rettungskräfte der syrischen Organisation Weißhelme und ihre Familien.
Israelische Soldaten nehmen sie in Empfang, Sanitäter behandeln Bedürftige und verteilen Wasser sowie Lebensmittel, wie das Fernsehen auf seiner Internetseite „Mako“berichtet. Busse stehen bereit, um die Menschen ins Nachbarland Jordanien zu bringen. Eine solche Rettungsaktion hat es – soweit bekannt – seit Beginn des verheerenden Syrien-Kriegs 2011 noch nicht gegeben. Ihr Handeln sei eine „außergewöhnliche humanitäre Geste“, lobt die israelische Armee selbst die Rettung der Syrer, die wegen „einer unmittelbaren Bedrohung ihres Lebens“nötig gewesen sei. Dies zielt ab auf die Truppen von Syriens Präsident Baschar al-Assad. Diese hatten zuletzt fast die gesamte Region mit Ausnahme eines schmalen Streifens an den von Israel besetzten Golanhöhen erobert.
Die syrische Regierung hat die vom Westen, vor allem aus Großbritannien, unterstützten Helfer schon lange zu Landesfeinden erklärt. Aus Sicht des Assad-Regimes haben die Weißhelme dem Land massiven Schaden zugefügt. Denn häufig waren es von den Nothelfern gelieferte Beweise, auf die sich internationale Untersuchungsberichte über Massaker des Regimes stützten, etwa nach den Giftgasangriffen bei Damaskus im Frühjahr dieses Jahres, denen wenig später Raketenangriffe der Alliierten auf Damaskus folgten.
Die Organisation mit Tausenden Mitgliedern beschreibt sich selbst dagegen als „unbewaffnet und neutral“und wird auch von unabhängigen Beobachtern so gesehen. Es gehe ihnen ausschließlich darum, Menschen aus den allgegenwärtigen Trümmern des syrischen Schlachtfeldes zu ziehen. Eigenen Angaben zufolge haben die Weißhelme bis heute mehr als 114.000 Menschen gerettet.
In der Provinz Kunaitra im Südwesten Syriens wurden in den vergangenen Wochen Hunderte Weißhelme und ihre Angehörigen selbst zu Notleidenden. Ihre Rettung sei auf Anweisung der israelischen Regierung und auf Bitten der USA und mehrerer europäischer Länder erfolgt, teilte die israelische Armee mit. Jordanien habe ihre Durchreise genehmigt. Die Menschen sollten nach vorübergehendem Aufenthalt binnen drei Monaten von Deutschland, Großbritannien und Kanada aufgenommen werden.
Laut Bundesinnenministerium nimmt Deutschland acht Männer und deren Familienangehörige als Flüchtlinge auf. „Der Einsatz der Weißhelme verdient Bewunderung und Respekt“, sagte Außenminister Heiko Maas am Sonntag. „Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, dass viele dieser mutigen Ersthelfer nun Schutz und Zuflucht finden, einige davon auch in Deutschland“, erklärte der SPD-Politiker.
Israel und Syrien sind verfeindet. Im Sechstagekrieg 1967 hatte der jüdische Staat die Golanhöhen von Syrien erobert und später annektiert. Immer wieder fliegt Israel in dem Bürgerkriegsland Angriffe auf Stellungen des syrischen Verbündeten Iran, dessen Einfluss Israel zurückdrängen möchte. Israel hat in den vergangenen Jahren zwar Tausende syrische Verletzte in Krankenhäusern behandelt, will aber keine Flüchtlinge dauerhaft aufnehmen.