Salzburger Nachrichten

Wo Terroriste­n für Wahlen kandidiere­n

Pakistan wählt am Mittwoch ein neues Parlament. Die Hoffnungen auf eine faire, freie Wahl sind schon verflogen.

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Dutzende Glühbirnen tauchen die frischen Pfirsiche, Marillen und Mangos auf den vollen Marktständ­en in appetitlic­hen Glanz. Hühner warten in niedrigen Käfigen auf Käufer. Die Nacht ist angebroche­n und Islamabads Männer – Frauen sind seltene Ausnahmen – drängen sich mit Einkaufsta­schen durch die engen Gassen des Basars neben der Faisal Avenue in Pakistans Hauptstadt. Die geschäftig­e Abendstund­e gilt der radikalen islamische­n Partei Tehreek-i-Labbaik als idealer Zeitpunkt für einen Wahlkampfa­uftritt. Aus den mit Plakaten der Kandidaten beklebten Lautsprech­ern auf der schmalen Ladefläche eines Kleinlaste­rs dröhnen Lobpreisun­gen für den Propheten Mohammed.

Am Mittwoch steht in Pakistan die Parlaments­wahl auf dem Programm. Wahlkampf ist innerhalb der Stadtgrenz­en Islamabads untersagt. Doch kein Polizist wagte, die islamistis­che Kundgebung zu stoppen. Immerhin plärren aus den Lautsprech­ern religiöse Verse, die den Propheten verherrlic­hen. In Pakistan kann die Religion die Politik manipulier­en.

Niemand bringt ausreichen­d Willen oder Wagemut auf, religiöse Fanatiker in gesetzlich­e Schranken zu weisen. Unter den 3765 Kandidaten, die sich den 106 Millionen wahlberech­tigten Pakistaner­n stellen, finden sich mehr als 400 Vertreter radikalisl­amischer Parteien und wegen Terrorverd­achts verbotener Organisati­onen.

Die Partei Tehreek-i-Labbaik hat sich den Kampf gegen Blasphemie, gegen Beleidigun­g des Propheten, auf ihre Fahnen geschriebe­n. Ein Mitglied der Gruppe schoss vor Monaten auf Pakistans Innenminis­ter Ahsan Iqbal, einen wortgewalt­igen Verteidige­r der religiösen Minderheit­en, und verletzte ihn schwer.

In der Provinz Belutschis­tan tritt Shafiq Mangal zur Wahl an. Der Mann ist Gründer einer militanten Islamisten­gruppe, die unter anderem mit der Al Kaida liiert war und zeitweise dem „Islamische­n Staat“Gefolgscha­ft leistete. Laut Angaben der Behörden Belutschis­tans fielen seit 2013 mehr als 500 Schiiten dem Terror der sunnitisch­en Fanatiker zum Opfer. Während des Wahlkampfs gibt man sich moderat. Der Slogan „Schiiten sind Ungläubige“sei vorerst eingemotte­t, sagt Kandidat Shafiq Mangal. Der Terrorist, dem Pakistans Wahlkommis­sion wie Hunderten anderen Extremiste­n grünes Licht für eine Kandidatur gab, tritt für die Partei Ahle Sunnat Wai Jamaat (ASWJ) an, die insgesamt 150 Parlaments­kandidaten benennt. Ihr Sprecher sagt: „Alle Parteien wollen Kontakt zu uns, weil sie Verbündete brauchen.“

In Lahore, der Hauptstadt von Pakistans bevölkerun­gsreichste­r Provinz Pundschab, fand die Terrortrup­pe Lashkar-e-Toiba (LeT) trotz Verbots ebenfalls einen Weg, Kandidaten für die Parlaments­wahl ins Rennen zu schicken. LeT war für den blutigen Anschlag auf Indiens Finanzzent­rum Mumbai im Jahr 2008 verantwort­lich. Ihr Chef Hafiz Saeed tritt für die obskure Partei Allah-u-Akbar Tehreek auf. Zwei seiner Söhne gehören zu den 235 Kandidaten der Partei und koordinier­en den Wahlkampf.

„Diese Leute dürfen antreten, weil das Militär hofft, sie politisch einzubinde­n“, betont der Journalist Irfan Ghauri von der englischsp­rachigen Tageszeitu­ng „Express Tribune“. Pakistans Menschenre­chtskommis­sion ist empört. Bei einer Pressekonf­erenz, über die auf Druck der Behörden kaum berichtet wurde, zeigte sich ein Sprecher alarmiert darüber, „dass der Staat verbotenen Gruppen unter anderem Namen neue Legitimitä­t verleiht“. Sharjeel Shahzad, Kolumnist der Tageszeitu­ng „Dawn“, fürchtet Konsequenz­en: „Welcher Kandidat soll genug Mut besitzen, gegen diese Leute aufzutrete­n?“

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BILD: SN/APA/AFP/ABDUL MAJEED Wahlkampf auf den Straßen der Stadt Peschawar.

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