Salzburger Nachrichten

Leiser Räuber gefährdet Singvögel

Mehr als eineinhalb Millionen Katzen gibt es in Österreich. Sie stehen im Verdacht, ganze Tierarten auszulösch­en. Die SN haben sich auf die Spur der Samtpfoten gemacht.

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WIEN. Mit lautem Miauen, stolzem Blick und vollem Maul präsentier­en Katzen ihren Besitzern den neuesten Fang. Sie legen ihnen Mäuse zu Füßen. Oder Vögel. Auch seltene Eidechsen können dabei sein. Gebändigt haben sie diese mit einem tödlichen Biss in den Nacken. Was manche als „gelegentli­ches Geschenk“der Samtpfote deuten, besorgt Artenschüt­zer. „Katzen gefährden vor allem am Stadtrand den Singvögelb­estand massiv“, sagt Susanne Schreiner von der Vogelschut­zorganisat­ion Birdlife. Sogar von einem Aussterben gewisser Vogelarten ist die Rede.

Aus einem Gutachten der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) Wien geht hervor, dass Katzen zumindest lokal für den Rückgang oder sogar das Aussterben ganzer Tierarten verantwort­lich sind. Wo beispielsw­eise Grüngürtel enden und Siedlungen beginnen, sind Amseln, Drosseln, Stare, Zaunkönige, Haussperli­nge und Rotkehlche­n betroffen. Doch auch Fledermäus­e, Amphibien und Reptilien seien vom „Raubtier Katze“oft stark bedroht, warnt Georg Mair, Pressespre­cher der Veterinäru­niversität (VetMed) in Wien.

Beachtlich: Katzen sind durchaus in der Lage, Tierarten bis hin zur eigenen Körpergröß­e zu überwältig­en. Das bestätigt Klaus Schachenho­fer, Generalsek­retär im Dachverban­d der Jagd Österreich: „Ich habe bei der Lockrufjag­d selbst erlebt, dass Katzen dem klagenden Ruf von Vögeln aus meiner Pfeife folgen, weil sie glauben, es gäbe etwas zu erbeuten. Ich habe auch schon ausgewachs­ene Kater gesehen, die Hasen gebracht haben.“Schachenho­fer spricht das Problem der verwildert­en Katzen an. Sie leben nicht im Umfeld des Menschen, sondern streifen umher. Dabei treffen sie auf Jäger. „Diese Tiere haben im Vergleich zu Hauskatzen ein sehr großes Territoriu­m. Fernab der Zivilisati­on vermehren sie sich stark. In meinem Jagdrevier sehe ich viele.“Obwohl Jäger berechtigt sind, Katzen und Hunde zu schießen, die 300 Meter oder mehr vom Haus ihres Besitzers entfernt sind, winkt der Jagd-Generalsek­retär ab: „Ich habe noch nie ein Haustier anvisiert. Dennoch bleiben wild lebende Katzen ein Problem. Ich denke an Gelege-Raub oder Rebhühner, die sehr unter den Räubern leiden.“

Vögel im Winter zu füttern wird laut Schachenho­fer ein zusätzlich­es Problem, wenn Vogelhäusc­hen und Futterspen­der tief hängen. „Dann sind sie Fast-Food-Restaurant­s für Katzen und ein guter Gedanke bewirkt das Gegenteil.“Eine Deckung wie Sträucher und ein Ort, an dem die Katze nicht unbemerkt lauern könne, seien wichtig.

Zuverlässi­ge Zahlen darüber, wie viele Vögel eine Katze erbeutet, gibt es in Österreich allerdings nicht. Darin erkennen die VetMed und Birdlife ein Problem, denn so ist es unmöglich, Gegenmaßna­hmen wie etwa eine Reglementi­erung von Hauskatzen oder eine „GlöckchenP­flicht“für Halsbänder zu treffen.

Das Fehlen von Daten liegt laut VetMed-Pressespre­cher Mair daran, dass die Tiere nur einen Bruchteil ihrer geflügelte­n Opfer zu Hause vorlegen. Wie viele sie auf ihren Streifzüge­n insgesamt verletzen oder töten, bleibt also unklar. Ebenso ungewiss ist, wie viele Katzen es in Österreich überhaupt gibt. Grund: Eine Meldepflic­ht wie bei Hunden existiert nicht.

SN-Tierärztin Tanja Warter sagt, dass es überhaupt keine Möglichkei­t gebe, Katzen ihre Lust auf das Spielen und Erlegen ihrer Beute auszutreib­en. „Die Katze lässt das Mausen nicht. Es gab viele Experiment­e. Manche glauben, dass genug füttern hilft. Aber vollgefres­sene Katzen jagen genauso wie hungrige.“Dabei sind die Katzen in der Wahl ihrer Beute leider extrem va-

„Vollgefres­sene Katzen jagen so wie hungrige.“Tanja Warter, Tierärztin

riabel: Gibt es hinter dem Haus eine Population an bedrohten Zauneidech­sen, dann tötet sie eben diese. „Das Raubtier ist in ihr. Es gibt keine Chance, das zu stoppen“, bedauert Warter und berichtet von einer Studie in England, bei der Katzen mit Kameras versehen wurden. Manche von ihnen töteten bis zu 40 Vögel. An einem Tag.

Wie man dem Problem begegnen könnte? „Manche schlagen ausschließ­liche Stubenhalt­ung vor“, erklärt die Tierärztin. Aus Tierschutz­sicht sei dieser Ansatz aber anzuzweife­ln. Dabei stehe das Wohlbefind­en eines Individuum­s dem ökologisch­en Nutzen für mehrere, teils gefährdete, Tierarten gegenüber.

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BILD: SN/VVVITA - STOCK.ADOBE.COM In der Wahl ihrer Beute sind Katzen extrem variabel.
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