Braunau hat Bock auf Bockerer
Verantwortungsvoll mit der Geschichte umgehen: Das will Regisseur Robert Ortner mit seinem bauhoftheater braunau. Auf dem Programm steht heuer daher „Der Bockerer“.
Karl Bockerer ist Metzger. Das unmenschliche Naziregime ist ihm zuwider und diese Einstellung bringt ihn immer wieder in gefährliche Situationen. Da hilft es auch nichts, dass er am selben Tag Geburtstag hat wie Adolf Hitler – geboren in Braunau am Inn. Das Theaterstück „Der Bockerer“stammt aus der Feder von Ulrich Becher und Peter Preses. Und genau dieses Stück wählte das bauhoftheater braunau für seine Sommerproduktion. Zum einen, weil Österreich heuer 100 Jahre Republik feiert. Zum anderen, weil heuer auch der tragischen Ereignisse nach dem „Anschluss“an Hitler-Deutschland im März 1938 und der darauffolgenden Novemberpogrome gedacht wird. „Eine bessere Theaterproduktion für Humanismus, Demokratie und Menschenwürde kann man fast nicht präsentieren – und das in Braunau, der Geburtsstadt von Adolf Schicklgruber“, heißt es beim bauhoftheater.
Dahinter steht der gebürtige Altheimer Robert Ortner. Als Kind noch sehr dem Sport zugetan, entdeckte er Anfang 20 seine Liebe zum Theater und war Mitglied der Laientheatergruppe Obaliachdn. „Wir waren an Politik und Geschichte interessiert“, erzählt Ortner. Daher standen Stücke wie „Die Ermittlung“von Peter Weiss oder „Sauschlachten“von Peter Turrini auf dem Programm.
Nach einer „kreativen Pause“rief er im Jahr 2004 das bauhoftheater ins Leben. Der Name stammt noch aus der Zeit, als man im selben Gebäude wie der Bauhof in Braunau untergebracht war. „Noch heute bekomme ich Anrufe, in denen ich gefragt werde, wann der Bauhof offen ist“, erzählt der Innviertler.
Sein Biologiestudium in Salzburg hat Ortner abgebrochen, als er Vater wurde. Er wandte sich schon bald darauf der Pädagogik zu. Heute ist er im Brotberuf Sozialpädagoge und hilft Jugendlichen aus schwierigen Situationen dabei, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
„Mein Privatleben dreht sich hauptsächlich um das Theater“, erzählt er. „Das als Hobby zu bezeichnen wäre reichlich untertrieben.“In den vergangenen drei Jahren entwickelte sich das bauhoftheater zu einem – laut Eigendefinition – „Amateurtheater mit Anspruch“. Das liege, erklärt Ortner, auch am Produktionsleiter Wolfgang Dorfner. Dieser habe viele Kontakte nach Bayern geknüpft, wo Kooperationen mit anderen Theater- und Kulturvereinen eingegangen werden konnten. Zudem engagierte das bauhoftheater für seine Produktionen auch professionelle Schauspieler wie Boris Schumm oder Oliver Vilzmann, beide aus Burghausen (Bayern). „Das war ein wichtiger Schritt“, erklärt Ortner. Und davon profitierten beide Seiten: „Sie lernen von uns, weil bei uns nicht immer alles so streng organisiert ist. Und wir lernen von ihnen viel über Schauspielkunst.“
Ortner führt beim „Bockerer“Regie und im Stück selbst übernahm er auch zwei Rollen. Ins- gesamt besteht das Ensemble aus 22 Personen. Geprobt wurde seit April – und das meistens an den Wochenenden. „Es war eine Herausforderung, aber es hat eine super Disziplin geherrscht“, sagt Ortner. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Vorstellungen sind fast alle ausverkauft, das Echo ist äußerst positiv. Und das auch von einem, der es wissen muss: So lud das Ensemble den Schauspieler Karl Merkatz zu einer Aufführung ein, der in Franz Antels berühmter Verfilmung die Rolle des Bockerer gespielt hatte. „Er sagt, er habe sich nicht viel erwartet. Aber dann war er so begeistert, dass er versprach, nächstes Jahr wiederzukommen – ganz egal, was wir dann im Programm haben“, sagt Ortner.
Das bauhoftheater will aber mehr erreichen, als nur kulturell zu gefallen. „Die historische Aufarbeitung der Vergangenheit ließ in Braunau lange Zeit zu wünschen übrig“, sagt Ortner. „Heute ist das anders.“Um einen Bezug zur Gegenwart und ihren Problemen herzustellen, wurde in der Produktion auf Hakenkreuzfahnen verzichtet und ein eigenes Emblem entworfen. Damit löst sich die Aufführung aus ihrer zeitgeschichtlichen Verankerung. So könne das Publikum eher zum Nachdenken gebracht werden. Und das in einer Zeit, in der sich – nicht zum ersten Mal – rechtsextreme Strömungen bemerkbar machen und im Internet Hass und Rassismus regieren.
Denn was Karl Bockerer am Endes des Stücks noch zu sagen hat, das gilt auch heute noch: „Aufpassen müss’ ma halt – wia a Luchs.“ SN-Info: