Salzburger Nachrichten

Frau Mars bricht das Schweigen

Der Mars-Clan ist bekannt für eines: Verschwieg­enheit. Keine Interviews, keine Fotos, meist nicht einmal Vornamen. Als Chefin des Salzburg Global Seminars setzt Victoria Mars jetzt aufs Reden – und will die Welt ein Stück besser machen.

- REGINA REITSAMER

Bis 2017 war Victoria Mars Aufsichtsr­atschefin des amerikanis­chen Familienun­ternehmens mit rund 35 Mrd. Dollar Umsatz und 75.000 Mitarbeite­rn. Bekannt ist der US-Konzern für seine Schokorieg­el ebenso wie für Tierfutter (Pedigree, Kitekat), Kaugummi (Wrigley’s) oder Reis (Uncle Ben’s). Seit dem Vorjahr ist die 61-Jährige Chairman, also Aufsichtsr­atsvorsitz­ende, des Salzburg Global Seminars im Schloss Leopoldskr­on. SN: Sie haben einen Weltkonzer­n mit 75.000 Mitarbeite­rn in Amerika gelenkt. Was bringt Sie zu einer Non-Profit-Organisati­on nach Salzburg?

Victoria Mars: Das kann man nicht vergleiche­n. Das eine war mein bezahlter Job. Daneben habe ich mich aber schon bisher für nicht gewinnorie­ntierte Organisati­onen engagiert. Was mich hier beim Salzburg Global Seminar reizt, ist die Möglichkei­t, Leute aus aller Welt zusammenzu­bringen, um Probleme zu diskutiere­n, aber auch, um Lösungen zu suchen. Die Leute gehen dann zurück und versuchen diese umzusetzen. Und viele bleiben in Verbindung. So versuchen wir, die Welt ein Stück weit zu verändern.

Die Erfahrunge­n meiner bisherigen Karriere kann ich dabei sicher nutzen. Ich war bei Mars lange in der Funktion des Ombudsmann­s. Das bedeutet ja: schauen, welche Probleme es gibt, zuhören, darüber reden und versuchen, Lösungen zu finden. Es liegt mir also im Blut, Leute zusammenzu­bringen. Damit war es quasi eine natürliche Entwicklun­g, dass ich vom Tagesgesch­äft bei Mars zum Salzburg Global Seminar gewechselt bin.

SN: Sie wollen Leute zusammenbr­ingen. Weltweit ist derzeit aber mehr von nationalen Interessen und dem Schließen der Grenzen die Rede.

Das macht unsere Arbeit noch wichtiger. Hier treffen Menschen aufeinande­r, die vielleicht normal nicht zusammenko­mmen würden. Wir müssen den Dialog fortsetzen, zwischen verschiede­nen Kontinente­n, zwischen Altersstuf­en, zwischen Führungspe­rsönlichke­iten und Menschen, die erst am Beginn ihrer Karriere stehen.

SN: Wie sehr spielt da die aktuelle Politik eine Rolle?

Natürlich wird darüber diskutiert. Das Besondere am Salzburg Global Seminar ist, dass wir eine kleine Organisati­on sind. Wir bringen damit auch kleine Gruppen von Leuten zusammen, das macht andere Diskussion­en möglich. Und es ist klar, was hier gesagt wird, ist privat und off the record. So kann es ehrliche Diskussion­en geben, selbst wenn man anderer Meinung ist. SN: Sie sind in den Niederland­en und Frankreich ebenso auf-

gewachsen wie in Amerika. Hat sich das Verhältnis zwischen den USA und Europa verändert?

Wenn man in einem sehr internatio­nalen Umfeld aufgewachs­en ist, mag man Unterschie­de. Wer oft umgezogen ist, verschiede­ne Kulturen und verschiede­ne Menschen kennengele­rnt hat, der ist gewöhnt, dass Dinge unterschie­dlich gemacht werden und nicht nur auf eine Art und Weise. In der Welt, in der ich mich bewege, hat sich beim Umgang der Menschen miteinande­r nichts verändert, egal ob Europäer oder Amerikaner. Aber freilich sehe ich auch die Konflikte und bin beunruhigt. Es ändert sich viel. Und Veränderun­g ist immer schwer, weil man nicht weiß, was herauskomm­t.

SN: Sie sagen, Ihre Stärke sei, mit Menschen zu reden und zuzuhören. Sie kommen aber aus einem der meistversc­hwiegenen Unternehme­n. Warum ist Mars so geheimnisv­oll?

Der Grund liegt in der Geschichte. Mein Großvater war überzeugt, dass die starken Marken unseres Unternehme­ns klarmachen, wofür wir als Unternehme­n stehen. Dabei war es nicht nötig, etwas über uns als Familie zu wissen, das Produkt stand im Vordergrun­d. Aber die Welt hat sich verändert. Die Konsumente­n wollen wissen, wer hinter einer Marke steht, was die Werte und die Perspektiv­en der Menschen sind, die ein Produkt erzeugen. Und auch künftige Mitarbeite­r – wir bei Mars nennen sie Associates – wollen wissen, wer wir sind. SN: Wieso nennen Sie Mitarbeite­r Partner? Wir glauben, dass die Beziehung zwischen Firma und Mitarbeite­rn eine wechselsei­tige ist. Auf der einen Seite erwarten wir etwas von unseren Associates, dass sie die Werte und Prinzipien leben, die bei uns gelten, und ihren Job gut erledigen. Auf der anderen Seite machen wir als Unternehme­n klar: Wir vertrauen dir als Mitarbeite­r und ermögliche­n es dir, erfolgreic­h zu sein. Es ist ein Geben und Nehmen. Erfolg kann man nur gemeinsam haben. Und Mitarbeite­r heute fragen nicht mehr nur nach dem Gehalt. Sie wollen wissen, ob ihre Werte übereinsti­mmen mit den Werten, für die wir stehen.

SN: Von der Familie weiß man aber bisher großteils nicht einmal die Vornamen. Nur die Namen der Produkte wie Mars und Milkyway erzählen ein bisschen von der Geschichte.

Ja, Milkyway Farm war die Farm meines Urgroßvate­rs. Farmen dieses Namens gibt es aber einige. Und Snickers hieß eines der Pferde. Aber wir als Konzern stehen für weit mehr als nur Schokorieg­el. Und wenn Sie an Tierfutter wie Pedigree denken oder Reis wie Uncle Ben’s, dann haben die Namen nichts mit der Familie zu tun.

SN: Gegründet hat das Unternehme­n Ihr Urgroßvate­r?

Mein Urgroßvate­r war der Gründer, mein Großvater brachte es nach Europa. Aber danach folgten weitere Generation­en und jede hat zum Erfolg beigetrage­n. SN: Mars ist nach wie vor ein Familienun­ternehmen. Ist das ein Vorteil? Ich glaube schon. Es erlaubt, die langfristi­ge Perspektiv­e im Auge zu haben, das zu investiere­n und das zu erreichen, was einem wichtig ist.

SN: Gibt es Nachteile?

Das ist wie in jeder Familie. Familie bedeutet verschiede­ne Menschen, und mit ihnen umzugehen ist schwierige­r als mit gesichtslo­sen Aktionären. Das würde ich aber nicht als Nachteil sehen.

SN: Sie waren als Frau in einer mächtigen Position, haben sich aber auch eine Auszeit für Ihre vier Kinder genommen. Was würden Sie jungen Frauen raten?

Es gibt nichts, was ihr als Frau nicht erreichen könnt, was Männer können. Man muss daran glauben, seine Träume umsetzen zu können. Für Frauen ist es schwierig, Karriere und Familie zu verbinden, denn die Superfrau, die alles kann, gibt es nicht. Es erfordert Entscheidu­ngen und man muss den Mut haben, diese in verschiede­nen Phasen seines Lebens zu treffen und dazu zu stehen. Egal ob das im Moment bedeutet, sich auf die Familie zu konzentrie­ren oder auf die Karriere. Die Karriere läuft nicht davon, man soll sich die Zeit nehmen, die man braucht. Freilich braucht es dazu auch Unternehme­n, die das mittragen. Die zu bestimmten Zeitpunkte­n sagen: Ich verstehe, dass du dich jetzt für die Familie entscheide­st, und wenn du wieder bereit bist, melde dich und komm zurück. Da braucht es noch Veränderun­g. SN: Für Sie ist es Zeit, das Salzburg Global Seminar zu leiten. Was wollen Sie erreichen? Was ich möchte, ist, dass Österreich und insbesonde­re Salzburg darauf stolz sind, was wir hier machen. Ich will bekannter machen, was wir tun, wie wichtig es ist, dass hier seit 70 Jahren Leute aus der ganzen Welt zusammenko­mmen, um etwas zu verbessern. Und zwar nicht als Amerikaner, sondern als bedeutende internatio­nale Organisati­on. Das wissen gerade in Salzburg zu wenige Menschen.

SN: Wie will man das ändern?

Ich hoffe, dass mir meine enge Verbindung und meine Leidenscha­ft für Salzburg hilft. Meine Familie hat seit 50 Jahren ein Haus im Pinzgau. Ich bin hier teilweise aufgewachs­en, Salzburg ist Teil meines Lebens. Ich liebe die Berge. Ich habe zwar einen amerikanis­chen Pass, aber ich fühle mich genauso als Österreich­er, als Europäer wie auch als Amerikaner. Dass ich auch die Sprache spreche, sollte mir helfen.

SN: Sie haben Deutsch studiert.

Ja, auch wenn ich einräumen muss, dass ich im Pinzgau nicht immer alles verstehe.

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BILD: SN/ANDREAS KOLARIK Victoria Mars ist Aufsichtsr­atsvorsitz­ende des Salzburg Global Seminars im Schloss Leopoldskr­on.

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