Die EU am Scheideweg
In Europa ist um das allgegenwärtige Thema Flüchtlinge und Migration in den letzten Wochen eine atemlose Hektik und Hysterie ausgebrochen. Mit immer neuen, teils so inhumanen wie absurden „Vorschlägen“, die einen Quasiausnahmezustand suggerieren, wird eine Spirale der Hetze und Abschottung in Gang ge- setzt. Es sieht fast so aus, als gäbe es in der EU nur dieses eine Problem. Da scheint es keine Rolle zu spielen, dass die Zahl der Asylanträge so niedrig ist wie seit Jahren nicht mehr. Ich werde den Eindruck nicht los, dass entgegen diesem Trend bewusst immer schrillere Horrorszenarien kreiert werden, um das Thema ja am Köcheln zu halten, wie etwa diese lächerliche Grenzschutzübung in Spielfeld mit Hunderten aufgebrachten Flüchtlingskomparsen. Dazu kommt eine Verrohung der Sprache, die noch bis vor Kurzem nicht vorstellbar war.
Das hat natürlich damit zu tun, dass wir in Europa einen radikalen Rechtsruck erleben, gekennzeichnet durch den scheinbar unaufhaltsamen Vormarsch eines europaskeptischen, manchmal auch europafeindlichen Populismus, der sich ausbreitet wie eine Epidemie, gegen die noch kein Mittel gefunden wurde. In Italien sind diese Kräfte erst seit Kurzem an der Macht, in Österreich sind sie Regierungspartei, in Polen und Ungarn regieren sie schon seit Jahren. Dort haben sie längst ihre Positionen gefestigt und damit begonnen, die liberale Demokratie zu demontieren und autoritäre Regime zu etablieren.
2012 ist der EU der Friedensnobelpreis verliehen worden, für den Einsatz für Menschenrechte. Was auch Verantwortung mit sich bringt, Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt werden, jenseits des „Asyltouristen“-Geschreis Schutz und Asyl zu gewähren. Heute steht die EU am Scheideweg, politisch und moralisch. Welches Europa wollen wir? Der Ratsvorsitz für Österreich bietet die Gelegenheit zu zeigen, ob der Bundesregierung nur an brachialen Lawand-Border-Parolen oder doch auch an seriösen Lösungen gelegen ist. Man darf gespannt sein. Erhard Sandner 5081 Anif