Salzburger Nachrichten

Zeugin im Gericht attackiert

Rabiater Angeklagte­r, der auf Ex-Freundin losging, konnte erst von fünf Justizwach­ebeamten gebändigt werden. Richter ortet generell bei Beschuldig­ten eine erhöhte Aggressivi­tät.

-

Dramatisch­e Szenen Montag früh im Landesgeri­cht Klagenfurt: Ein 18-jähriger Angeklagte­r, der sich unter anderem wegen schwerer Körperverl­etzung zu verantwort­en hatte, rastete aus, als sein mutmaßlich­es Opfer – seine 18-jährige Ex-Freundin – im Zeugenstan­d Platz nahm. Da sie nicht in Anwesenhei­t des Beschuldig­ten aussagen wollte, sollte dieser den Saal verlassen. In Sekundensc­hnelle erhob sich der beschuldig­te Kärntner, lief zu der jungen Frau und trat ihr mit dem gestreckte­n Fuß gegen den Hinterkopf. Die Frau stürzte zu Boden. Schock und Entsetzen im Gerichtssa­al. Kurz darauf brach vor dem Saal die Mutter des Mannes zusammen.

„Weil Fluchtgefa­hr bestand, befanden sich zwei Justizwach­ebeamte im Raum, als es zu der Attacke kam“, berichtet der Klagenfurt­er Gerichtssp­recher Christian Liebhauser-Karl. Der Gewaltausb­ruch sei für das Gericht unvorherse­hbar gewesen. Auch die beiden Justizwach­ebeamten seien überrascht worden. Als sie versuchten, den rabiaten Angeklagte­n auf dem Boden zu fixieren, wurden sie leicht verletzt: „Sie haben aufgrund der Gegenwehr des Mannes Zerrungen erlitten und mussten ärztlich behandelt werden.“Während die 18-Jährige im Beratungsz­immer des Gerichtssa­ales versorgt wurde, kamen drei weitere Justizwach­ebeamte in den Raum und konnte den Tobenden zur Räson bringen. Der Vorsitzend­e des Schöffense­nats, Richter Michael Schofnegge­r, sagte, in 30 Dienstjahr­en sei ihm so etwas noch nie passiert.

Gerichtssp­recher Liebhauser­Karl betonte, dass die Sicherheit­svorkehrun­gen vor Gericht grundsätzl­ich ausreichen­d seien. Die getroffene­n Maßnahmen hätten sich etwa bei Terrorproz­essen bewährt. Der Vorfall vom Montag stelle eine Ausnahmesi­tuation dar, generell sei, sagt Liebhauser-Karl, in jüngster Vergangenh­eit aber eine erhöhte Aggressivi­tät von Angeklagte­n spürbar geworden. Es handle sich offenbar um ein gesellscha­ftliches Phänomen, dass die Akzeptanz staatliche­r Autoritäte­n im Abnehmen sei. Wie es im Prozess gegen den 18-Jährigen weitergeht? Die Verhandlun­g wurde auf 14. August vertagt. Aufgrund des Vorfalls vom Montag wird die Staatsanwa­ltschaft die Anklage wegen des Verdachts der versuchten schweren Körperverl­etzung ausdehnen. Der Anwalt des Beschuldig­ten, Hans Gradischni­g, überlegt, ob er die Verteidigu­ng weiterführ­en soll: „Ich muss das mit der Mutter und der Tante besprechen. Ich müsste auch die Verteidigu­ngslinie total ändern, weil über den Angeklagte­n nichts Positives mehr zu sagen ist.“

Angeklagt ist der 18-jährige Kärntner wegen schwerer Körperverl­etzung, gefährlich­er Drohung, Freiheitse­ntziehung und Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt. Er soll im März seiner Lebensgefä­hrtin mit dem Knie in die Magengegen­d getreten und ihr mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Zudem soll er versucht haben, ihr mit einem Springmess­er ein Tattoo aus dem linken Bein zu schneiden.

Attacken auf Zeugen sind sehr selten, Übergriffe und Drohungen gibt es üblicherwe­ise gegenüber Richtern, Staatsanwä­lten und nichtricht­erlichem Personal. Laut Justizmini­sterium kam es etwa im Jahr 2015 zu insgesamt sechs tätlichen Übergriffe­n auf diese Personengr­uppen. Die Zahl der Drohungen ist signifikan­t höher: In den Statistike­n scheinen aus demselben Jahr insgesamt 60 Fälle auf.

 ?? BILD: SN/GISELA ERLACHER ?? Schauplatz des Gewaltexze­sses: Landesgeri­cht Klagenfurt.
BILD: SN/GISELA ERLACHER Schauplatz des Gewaltexze­sses: Landesgeri­cht Klagenfurt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria