Salzburger Nachrichten

Alle haben in der Causa Özil versagt

- STANDPUNKT Richard Oberndorfe­r RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Nur wenige Stunden nach der ersten Stellungna­hme von Mesut Özil zur „Erdoğan-Affäre“brachen alle Dämme. Und wie. Özil, der nach neun Jahren im deutschen Nationalte­am nach einer – selbst zitierten – Hetzjagd und Rassismusv­orwürfen am Sonntag gedemütigt seinen Rücktritt bekannt gab, öffnete mit einem Rundumschl­ag die Büchse der Pandora. Politiker aus Deutschlan­d und der Türkei sowie Fußballman­ager meldeten sich mit teils untergriff­igen Aussagen zu Wort. Warum musste es so weit kommen?

Die Aussagen des Deutschtür­ken Özil kamen um Wochen zu spät. Schweigen war kein guter Zug. Ein Schwelbran­d konnte entstehen, „dank“auch der Erfolglosi­gkeit der Deutschen bei der WM.

Jenem Manager, der Özil wenige Wochen vor der WM und Tage vor der Präsidents­chaftswahl in der Türkei zum Fototermin mit dem Autokraten Recep Tayyip Erdoğan geraten hat, gehört das Vertrauen entzogen. Andere Sportler hatten zuletzt einen großen Bogen um Erdoğan gemacht. Alle haben in der Causa Özil versagt. Das Management des Deutschen FußballBun­ds (DFB) mit seiner Duck-dichweg-Politik. Starke Teamkolleg­en, die ihren Mitspieler zu einer Aussage hätten drängen müssen. Und Bundestrai­ner Joachim Löw, der den Spieler Özil aus dem WM-Kader hätte nehmen müssen – auch wenn beide seit einiger Zeit denselben Berater haben.

Es wird in dieser Causa keine Gewinner und Verlierer geben. Vielleicht einige Wichtigtue­r, die sich schnell mit ihren Aussagen ins Rampenlich­t drängen wollen. Die Öffentlich­keit wurde in der Integratio­nsdebatte wieder sensibilis­iert, es wurde aber etwas ins Wanken gebracht, auf das der Sport immer stolz gewesen ist: gemeinsam etwas erleben, ohne Blick auf Herkunft und Hautfarbe.

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