Alle haben in der Causa Özil versagt
Nur wenige Stunden nach der ersten Stellungnahme von Mesut Özil zur „Erdoğan-Affäre“brachen alle Dämme. Und wie. Özil, der nach neun Jahren im deutschen Nationalteam nach einer – selbst zitierten – Hetzjagd und Rassismusvorwürfen am Sonntag gedemütigt seinen Rücktritt bekannt gab, öffnete mit einem Rundumschlag die Büchse der Pandora. Politiker aus Deutschland und der Türkei sowie Fußballmanager meldeten sich mit teils untergriffigen Aussagen zu Wort. Warum musste es so weit kommen?
Die Aussagen des Deutschtürken Özil kamen um Wochen zu spät. Schweigen war kein guter Zug. Ein Schwelbrand konnte entstehen, „dank“auch der Erfolglosigkeit der Deutschen bei der WM.
Jenem Manager, der Özil wenige Wochen vor der WM und Tage vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei zum Fototermin mit dem Autokraten Recep Tayyip Erdoğan geraten hat, gehört das Vertrauen entzogen. Andere Sportler hatten zuletzt einen großen Bogen um Erdoğan gemacht. Alle haben in der Causa Özil versagt. Das Management des Deutschen FußballBunds (DFB) mit seiner Duck-dichweg-Politik. Starke Teamkollegen, die ihren Mitspieler zu einer Aussage hätten drängen müssen. Und Bundestrainer Joachim Löw, der den Spieler Özil aus dem WM-Kader hätte nehmen müssen – auch wenn beide seit einiger Zeit denselben Berater haben.
Es wird in dieser Causa keine Gewinner und Verlierer geben. Vielleicht einige Wichtigtuer, die sich schnell mit ihren Aussagen ins Rampenlicht drängen wollen. Die Öffentlichkeit wurde in der Integrationsdebatte wieder sensibilisiert, es wurde aber etwas ins Wanken gebracht, auf das der Sport immer stolz gewesen ist: gemeinsam etwas erleben, ohne Blick auf Herkunft und Hautfarbe.