Die Hofburg-Wahl beschäftigt nun die Strafrichter
In Kärnten startet der erste Prozess gegen damalige Wahlbeisitzer: Zehn Angeklagte, darunter ein Bürgermeister, stehen vor dem Kadi. Was im Fall von Schuldsprüchen droht. Und was sich seither geändert hat.
Ziemlich genau zwei Jahre und drei Monate nach dem Start der Bundespräsidentenwahl 2016 und ziemlich genau eineinhalb Jahre nach der Angelobung Alexander Van der Bellens als Bundespräsident beginnt die juristische Aufarbeitung der pannenreichen Wahl.
Am Donnerstag und am Freitag müssen sich am Landesgericht Klagenfurt der Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) und neun weitere Beschuldigte verantworten. Es geht um die Stichwahl am 22. Mai, die später vom Höchstgericht aufgehoben wurde. Neun Angeklagten wird falsche Beurkundung und falsche Beglaubigung vorgeworfen (worauf bis zu drei Jahre Haft stehen). Sie bestätigten damals per Unterschrift, dass die Briefwahlkartenstimmen ordnungsgemäß ausgezählt wurden, obwohl sie gar nicht anwesend waren. Und sie bestätigten damals die Abhaltung einer Sitzung der Wahlbehörde, die niemals stattfand. Ein Angeklagter muss sich wegen Amtsanmaßung verantworten – obwohl kein Mitglied der Wahlbehörde, öffnete er damals Kuverts, holte die Wahlkarten heraus und zählte sie.
Ist das der Anfang einer Prozesswelle gegen Wahlbeisitzer? Das ist noch offen. Gegen insgesamt 246 Personen ermittelte die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Folge der Wahlaufhebung durch das Höchstgericht. In fünf Wahlbehörden wurde das Ermittlungsverfahren nach eigenen Angaben unterdessen eingestellt. Wie viele Vorhabensberichte noch zur Genehmigung bei den oberen Instanzen liegen, will man bei der WKStA nicht sagen. Nur so viel: Man warte auf die Entscheidungen – und dann könne man auch bekannt geben, gegen wie viele weitere Personen Anklage erhoben werde.
Schon die Aufhebung der Stichwahl durch den Verfassungsgerichtshof – samt gehöriger Schelte für die bei Wahlen eingerissenen Schlampereien – hatte die ohnehin seit Jahren schwindende Motivation, sich an Wahlsonntagen gegen eine Miniaufwandsentschädigung als Wahlbeisitzer zu engagieren, stark sinken lassen. Mit den Ermittlungsverfahren sank sie weiter. Bei der vergangenen Nationalratswahl hatten die Kleinparteien Mühe, Beisitzer in ausreichender Zahl zu finden. Für die rund 11.000 Wahllokale sind insgesamt rund 50.000 Beisitzer notwendig. Beim Gemeindebund plädiert man schon lange dafür, die Aufgabe auch für Bürger zu öffnen, die kein Parteibuch haben. Gelöst ist das Problem nicht.
Viel war auch von einer größeren Wahlrechtsreform die Rede. Gekommen ist es dazu nicht. Ein paar Regeln, wie richtiges Wählen und richtiges Zählen geht, wurden geändert, einige präzisiert. Das war’s. Das Innenministerium produzierte mit Hochdruck einen 50-seitigen Leitfaden samt E-Learning-Modul, um den mit der Wahl Beschäftigten die Angst zu nehmen, mit einem Fuß im Kriminal zu stehen.
Der VfGH-Spruch hatte allerdings schon einige Folgen: So ist u. a. Fotografieren in Wahllokalen seither verboten, wenn Politiker zur Urne schreiten. Da alle Einzelergebnisse bis zum österreichweiten Wahlschluss unter Verschluss bleiben müssen, verspätet sich die erste Hochrechnung auf kurz nach 17 Uhr. Briefwähler müssen nun begründen, warum sie sich für diese Art des Wählens entscheiden.
Nur von der Idee, dass die Wähler ihre Stimmzettel nicht mehr selbst in die Urne einwerfen dürfen, sondern dem Wahlleiter zum Einwurf zu überreichen haben, verabschiedete sich das Innenministerium gleich wieder.