„Einmischung der Politik finde ich scheinheilig“
Die Affäre rund um Mesut Özil sorgt auch in Österreich seit Tagen für Gesprächsstoff. Die SN haben Austria-Salzburg-Kicker Eyüp Erdogan, der türkische Wurzeln hat, nach seiner Meinung gefragt. SN: Was sagen Sie zum Rundumschlag von Mesut Özil? Eyüp Erdogan: Meiner Meinung nach wurde der Spieler vom DFB zu wenig unterstützt. Und auf einmal hat sich dann auch noch die deutsche Politik eingemischt und das finde ich scheinheilig. SN: Warum? Einerseits macht Deutschland mit der Türkei Geschäfte und verkaufte zum Beispiel vor Kurzem Panzer im Wert von fünf, sechs Milliarden an die Türkei. Und dann wird von Özil und Ilkay Gündogan eine Entschuldigung wegen eines Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan gefordert. Die Politik darf Geschäfte mit Erdogan machen, aber Fußballer dürfen sich nicht mit ihm fotografieren lassen. Das verstehe ich nicht. SN: In seinem Statement wirft Özil dem DFB-Präsidenten Reinhard Grindel auch Rassismus vor. Sehen Sie das auch so? Die Muslime sind derzeit einfach ein beliebtes Opfer und werden in der Öffentlichkeit gern als Sündenböcke dargestellt. SN: Hätte Özil auf das Foto verzichten sollen? Es war natürlich unglücklich. Aber es war nicht das erste Mal, dass sich Özil mit Erdogan fotografieren ließ und ihm ein Trikot schenkte. Das hat er zum Beispiel in seiner Zeit bei Real Madrid auch schon mal gemacht. Damals war es kein Thema. SN: Verstehen Sie Özils Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft? Ja, ich hätte an seiner Stelle das Gleiche gemacht. Nach der verpatzten Weltmeisterschaft war er der Sündenbock. Dabei hat er auch in Russland nicht schlecht gespielt und zum Beispiel die meisten deutschen Chancen vorbereitet. Ich finde auch, dass sich der DFB mit seinem Verhalten ein Eigentor geschossen hat. SN: Welches Eigentor? Der türkische Verband hat nach dieser Affäre in Zukunft sicher gute Argumente, Spieler, die für beide Nationen spielen könnten, für sich zu gewinnen. Dadurch könnte Deutschland einiges an Qualität verlieren. SN: Sie sind österreichischer Staatsbürger mit türkischen Wurzeln. Sehen Sie sich als Österreicher oder als Türke? Ich habe mit beiden Nationen eine Verbindung. Ich bin in Österreich geboren und aufgewachsen und lebe sehr gern in Salzburg. Wenn ich in der Türkei auf Urlaub bin, gefällt es mir zwar dort, aber ich könnte dort nie wohnen. Trotzdem habe ich auch mit der Türkei durch meine Eltern und Verwandten eine Verbindung. SN: Für welche Nationalmannschaft würden Sie spielen? Ich würde für das Team spielen, bei dem ich die besseren Chancen auf einen Platz im Kader hätte. Aber bei mir stellt sich diese Frage nicht mehr. SN: Sie haben den gleichen Nachnamen wie der türkische Präsident. Werden Sie oft gefragt, ob Sie mit Recep Erdogan verwandt sind? Ja. Dabei ist Erdogan in der Türkei ein häufiger Nachname, wie in Österreich zum Beispiel Müller oder Maier. Auch als Vorname wird Erdogan häufig verwendet.