Eine Spielwiese für alle
Die Integrationsdebatte um Fußballer Mesut Özil nimmt an Brisanz nicht nur in Deutschland zu. Mit teils skurrilen Folgen.
Die „Causa Özil“wird immer mehr zur Frage: Wird der Fußballstar nun mehr als Täter oder als Opfer gesehen? In der Heimatstadt von Özils türkischen Vorfahren gilt die Opferrolle: In Devrek wurde als Reaktion auf die Vorfälle der vergangenen Tage beim Straßenschild der „Mesut-Özil-Straße“das Bild des Fußballprofis im deutschen Nationaltrikot ausgetauscht. Nun sieht man dort das umstrittene Foto, das den 29-Jährigen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigt.
„Wir haben mit Traurigkeit verfolgt, was Özil angetan wurde“, sagte Mustafa Semerci, der Bürgermeister der Stadt am Schwarzen Meer, am Dienstag. Der ArsenalProfi hatte am Sonntag seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft verkündet, nachdem er sich infolge seines Fotos mit Erdogan mit Rassismus konfrontiert gesehen hatte.
Der zurückgetretene Fußballnationalspieler selbst hat sich knapp zwei Tage nach seiner dreiteiligen Twitter-Attacke erstmals wieder in dem sozialen Netzwerk zu Wort gemeldet. „Vorbereitungsarbeit“, schrieb der 29 Jahre alte Mittelfeldspieler am Dienstag über ein Foto, das ihn in einer Sprintübung mit Teamkollege Mohamed Elneny zeigt. Özil ist derzeit mit dem FC Arsenal im Trainingslager in Singapur.
Derweil hat der frühere DFBSportdirektor Matthias Sammer in der Integrationsdebatte zur Ruhe gemahnt. „Vom Ursprung des Fotos bis zur Kommentierung hat er Dinge aushalten müssen. Alle, die ihm zu wenig Selbstkritik vorwerfen, sollten sich einfach mal in die Lage versetzen“, sagte Sammer in einem Interview dem TV-Sender Eurosport am Dienstag.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan stellte sich noch am Dienstag hinter Özil. „Eine rassistische Einstellung gegenüber einem jungen Mann, der der deutschen Nationalmannschaft so sehr alles von sich gegeben hat“, sei nicht zu akzeptieren, so Erdogan.
Doch nicht alle sehen die Opferrolle. So der deutsch-türkische Profiboxer Ünsal Arik, der die Aussagen des 29-Jährigen auf das Schärfste kritisiert: „Alles, was Özil gerade macht, ist politisch. Er soll mal recherchieren, wofür Erdogan verantwortlich ist, und erklären, warum er diesen Menschen so toll findet“, sagte der 37-Jährige in einem Interview.
Özils Aussage, dass ein politischer Führer getrennt von der Person betrachtet werden könne, verurteilte der SuperweltergewichtsEuropameister. „Eine dümmere Aussage habe ich noch nicht gehört. Das hieße ja, der Präsident darf alles machen, unschuldige Leute einsperren, Kriege führen, und ich muss ihn immer unterstützen?“
In der Dienstagausgabe der SN hat sich ein Fehlerteufel eingeschlichen: Beim Zitat von Bundesaußenminister Heiko Maas fehlte nämlich ein „nicht“. Richtig heißen muss es: „Ich glaube auch nicht, dass der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs Auskunft gibt über die Integrationsfähigkeit in Deutschland.“