Salzburger Nachrichten

Wer Live-Fußball sehen will, muss zahlen

Die neue Fußball-Bundesliga-Saison läuft ausschließ­lich im Pay-TV. Während sich zumindest einige der Sponsoren auf das Modell freuen, sehen Kritiker den „Volkssport Fußball“in Gefahr.

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WIEN. Zehn Vereine spielen vier Mal gegeneinan­der. Nach 36 Runden steht ein Meister fest. Und die wichtigste­n dieser Spiele überträgt der ORF. Seit grob einem Vierteljah­rhundert wird so die heimische Fußball-Bundesliga aufgezogen. Doch mit dem Start der neuen Saison wandelt sich das schlagarti­g. Zum einen ändert sich das System selbst: Ab Freitag rittern zwölf statt zehn Teams um den Meistertel­ler (SN vom 21. Juli). Zum anderen ändert sich auch das TV-Umfeld: Pay-TVSender Sky hat sich für vier Jahre die Exklusivre­chte an der Liga gesichert. Somit wird es nach 20 Jahren erstmals kein Livespiel im ORF geben. Einzig Streamingd­ienst A1 Now wird vier der 195 Spiele pro Saison parallel zu Sky übertragen.

Der ORF muss sich mit den Highlight-Szenen zufriedeng­eben: Das Format mit dem eingängige­n Titel „Fußball“liefert Samstag (19.20 Uhr) und Sonntag (19.15 Uhr) die Höhepunkte der Spiele. Parallel zeigt oe24.tv alle Höhepunkte (sonntags, 22 Uhr); im Netz wird noch Laola1 Highlight-Clips bieten.

Sky selbst hat seine Berichters­tattung stark ausgebaut: Die Vorbericht­erstattung beginnt jeweils eine Stunde vor Spielbegin­n, dazu steht am Montagaben­d ein fünfstündi­ger Fußballblo­ck an. Dazu gehören die interaktiv­e Diskussion­ssendung „Die Abstauber“(19.30 Uhr), die Diskussion­srunde „Talk und Tore“(20.15 Uhr) sowie der Block „Dein Verein“, der jedem Bundesliga­club 15 Minuten Sendezeit widmet.

Der Pay-TV-Sender hat sich für die neue Saison hehre Ziele gesetzt: Mit der „ausführlic­hsten Berichter- stattung, die es je gegeben hat“, wolle man „das Interesse an Fußball neu entfachen“. Doch ebendaran haben Kritiker Zweifel. „Es besteht die Möglichkei­t, dass Fußball als Volkssport eine Spur gefährdet ist – und zum bezahlten Vergnügen verkommt“, sagt Peter Vitouch. Vitouch ist Medienpsyc­hologe an der Uni Wien, zudem saß er jahrelang im ORF-Publikumsr­at. Seine Kritik habe aber nichts mit dem ORF zu tun: „Ich habe diese Haltung immer schon vertreten.“Die Verankerun­g im Pay-TV entspreche zwar dem Zug der Zeit, sie weiche jedoch die Funktion der Medien als sozialer Kit auf. Fußball als Thema am Arbeitspla­tz oder Stammtisch könne verloren gehen. Zudem glaubt der Medienpsyc­hologe, dass es eine starke Reaktanz geben könnte: „Viele wollen es sich wohl schon aus Prinzip nicht bieten lassen, dass sie nun gezwungen werden, die PayTV-Jahreskart­e zu kaufen.“Und das könne dem Image der Liga schaden.

Wolfgang Immerschit­t, Geschäftsf­ührer der Salzburger Kommunikat­ionsagentu­r Plenos, ist anderer Ansicht. Der Experte glaubt nicht, dass die Liga groß an (Werbe-) Wert verlieren werde. Man müsse das Gesamtpake­t in Relation mit den im Schnitt 303.000 Zuschauern setzen, die ein Sonntagssp­iel im ORF verfolgt haben. „Ja, live werden weniger zusehen (Sky hat in Österreich gesamt rund 400.000 Abonnenten, Anm.). Aber dazu kommen die breitere Vor- und Nachberich­terstattun­g, Social Media, die Highlight-Sendungen etc.“Immerschit­t ist überzeugt, dass die Bundesliga die Vor- und Nachteile „intensiv abgewogen“hat. „Und in Summe werden die Vorteile überwogen haben. Allein schon die finanziell­e Dimension des Angebots.“Sky ließ sich die neuen Rechte rund 35 Millionen kosten – elf Millionen mehr, als die Liga in den Jahren zuvor kassierte.

Doch wie sehen die Sponsoren der Clubs die neue Lage? Zumindest Audi, einer der Partner von Red Bull Salzburg, verlängert­e gestern, Dienstag, seine Kooperatio­n mit den Bullen um drei Jahre. „Für uns ist die Pay-TV-Zielgruppe eine sehr interessan­te“, erläutert die VWTochter auf SN-Anfrage. Sky schlägt in dieselbe Kerbe: Man biete eine kaufkräfti­gere Seherschaf­t.

Auch Peter Vitouch kann sich zumindest eine positive Folge des PayTV-Deals vorstellen: „Es könnte sein, dass die Leute nun wieder öfter ins Stadion gehen.“Dennoch fände er eine breitere Streuung der Liverechte sinnvoller. „Wir steuern auf das Monopol von riesigen Sportrecht­egesellsch­aften hin.“

Dem ORF rät Vitouch, aus dem „ruinösen Bieterkamp­f“auszusteig­en – und etwa auf Regional- oder Frauenfußb­all zu setzen. Zudem blieben dem ORF ja noch die Spiele des Nationalte­ams. Und das werde auch so bleiben: „Ich wage die Hypothese, dass die Sportrecht­eriesen die Nationalma­nnschaft dem FreeTV überlassen. Denn ihnen ist bewusst, dass sonst der Zorn der Fans ins Unendliche gehen würde.“

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BILD: SN/SKY/HOFER Sky hält die Rechte an der FußballBun­desliga. Der ORF überträgt erstmals seit 20 Jahren kein Livespiel mehr.
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„Nationalel­f bleibt im Free-TV.“ Peter Vitouch, Medienpsyc­hologe

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