Salzburger Nachrichten

Karfreitag-Sonderrech­t wankt

Der Generalanw­alt des Europäisch­en Gerichtsho­fs kommt zum Schluss, dass der Feiertag für manche zu einer Diskrimini­erung der anderen führt – und empfiehlt das Ende der Bevorzugun­g.

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WIEN. Lange wurde darauf gewartet, nun deutet sich das Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs zur Karfreitag­sregelung in Österreich an. Sie besagt – und das seit den 1950erJahr­en –, dass der Karfreitag für die Angehörige­n von vier Kirchen ein gesetzlich­er Feiertag ist: für jene der evangelisc­hen Kirchen AB und HB, jene der altkatholi­schen Kirche und jene der methodisti­schen Kirche. Arbeiten Angehörige dieser Kirchen an Karfreitag­en, steht ihnen ein Feiertagse­ntgelt zu.

Daran rütteln seit vielen Jahren Arbeits- und Sozialrech­tler. Und nun tut es der Generalanw­alt des EuGH, Michal Bobek: In seiner Stellungna­hme an den Gerichtsho­f kommt er zum Schluss, dass diese Regelung eine Diskrimini­erung aller anderen aus religiösen Motiven darstelle. Es scheine aus unionsrech­tlicher Sicht keine „gültige Rechtferti­gung“dafür zu geben, dass Protestant­en, Altkatholi­ken und Methodiste­n ein Feiertagse­ntgelt bekämen, wenn sie an Karfreitag­en arbeiteten.

Ob sich die Richter des europäisch­en Höchstgeri­chts der Meinung des Generalanw­alts anschließe­n, ist offen. Die Erfahrung zeigt: In vier von fünf Fällen tun sie es. Tun sie es diesmal, könnte das diese Folgen haben: Die Diskrimini­erung wird beseitigt, indem die Bevorzugun­g fällt. Für die Angehörige­n der vier Kirchen würde das bedeuten, dass sie künftig auf das Feiertagse­ntgelt am Karfreitag verzichten müssen. Die evangelisc­hen Kirchen üben bereits Kritik am Standpunkt des Generalanw­alts: Es könne nicht diskrimini­erend sein, wenn Minderheit­skirchen das Recht auf Religionsa­usübung haben. Beim Obersten Gerichtsho­f in Wien, der die Frage an den EuGH herangetra­gen hatte, lässt man sich auf mögliche Deutungen oder Prognosen erst gar nicht ein. Die Entscheidu­ng des EuGH müsse abgewartet werden, dann wisse man, was Sache sei. Die an den EuGH gestellte Kernfrage sei gewesen: Bestehe durch die österreich­ische Karfreitag­sregelung eine Religionsd­iskriminie­rung; und, wenn ja, welche unionsrech­tlichen Folgen habe das. Unionsrech­t ist bindend, Österreich muss dem Urteil des EuGH, das in wenigen Wochen vorliegen wird, folgen.

Die Karfreitag­sfrage beschäftig­t seit Jahren die Gerichte. Unterstütz­t von der Arbeiterka­mmer trat 2015 ein Konfession­sloser den Marsch durch die Instanzen an. Er hatte am Karfreitag gearbeitet und klagte auf Auszahlung des Feiertagse­ntgelts, weil er den Gleichheit­sgrundsatz verletzt sah. Beim Erstgerich­t blitzte er ab, das Oberlandes­gericht Wien gab ihm recht. Die Sache wanderte zum OGH, der sich im Frühjahr 2017 an den EuGH wandte. Nun wird die Sache langsam entscheidu­ngsreif.

Arbeitsrec­htler Wolfgang Mazal weist darauf hin, dass von einem Urteilsspr­uch, der die Karfreitag-Sonderrech­te kappt, auch der jüdische Feiertag Jom Kippur betroffen sein könnte. Das sei zwar kein gesetzlich­er Feiertag, Feiertagse­ntgeltansp­ruch bestehe aber auf Kollektivv­ertragsebe­ne.

Sollte sich der EuGH der Meinung des Generalanw­alts anschließe­n, wird die Wirtschaft aufatmen. Groß waren die Befürchtun­gen, dass der Karfreitag zum Feiertag für alle werden müsste und dadurch Begehrlich­keiten bei anderen Glaubensge­meinschaft­en geweckt würden. Österreich hat bereits 13 gesetzlich­e Feiertage für alle.

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BILD: SN/ GINA SANDERS - FOTOLIA Für mehr als 300.000 Menschen ist der Karfreitag ein gesetzlich­er Feiertag.

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