Ein Kricket-Star ist Favorit
Beobachter sprechen von der „schmutzigsten Wahl“in der Geschichte Pakistans. Hinter den Kulissen versucht das allmächtige Militär die Fäden zu ziehen.
Bei den wartenden Männern vor einem Klassenzimmer in der Schule College for Boys in Islamabads Industriezone schwillt der Zorn. „Wir können nicht wählen“, schimpfen sie zwei Stunden nach dem offiziellen Beginn von Pakistans Parlamentswahlen. „Der Polizist, der hier öffnen soll, ist noch nicht gekommen“, so entschuldigt sich der Wahlbeamte in aller Seelenruhe. „Er wird eben später kommen.“Die Stimmen der ungeduldigen Wähler werden lauter. Ein Soldat, sein Gewehr unter dem Arm, beschwichtigt die empörten Männer. Rund 350.000 Polizisten bot die Regierung Pakistans zum Schutz der Wahlen auf. Dazu kamen ebenso viele Soldaten, die in und vor den Wahllokalen postiert wurden. Doch das Sicherheitspersonal konnte am Wahltag, an dem 105 Millionen Pakistaner zu Urnen gerufen wurden, nicht überall für Ordnung sorgen. Am Rand der Stadt Quetta in Belutschistan sprengte sich ein Selbstmordattentäter bei einem Polizeifahrzeug in die Luft. Mindestens 31 Menschen – darunter fünf Polizisten – starben, 50 weitere wurden teils mit lebensgefährlichen Verletzungen in Krankenhäuser gebracht. Ein lokaler Ableger der Terrorgruppe „Islamischer Staat“erklärte sich verantwortlich.
Pakistan erlebt erst zum zweiten Mal in seiner Geschichte, dass eine gewählte Regierung die Geschäfte an zivile Nachfolger übergibt. Angesichts massiver Manipulationen durch die Militärs sind viele davon überzeugt, dass der Wahlsieger schon feststeht: Der ehemalige Kricket-Star Imran Khan. Viele Pakistaner sprechen von „Generals Election“statt „General Election“(Generalswahl statt allgemeiner Wahl). Willi Germund berichtet für die SN aus Pakistan
Pakistanische Beobachter sprechen von der „schmutzigsten Wahl“in der Geschichte des Landes. Der Grund: Hinter den Kulissen wurde weder an Geld noch Einschüchterung gespart, um einen Wahlerfolg der bisherigen Regierungspartei, der Muslimliga PML-N von Ex-Premier Nawaz Sharif, zu verhindern. Sharif ist seit Mitte Juli in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Garnisonsstadt Rawalpindi inhaftiert. Er war vor drei Wochen wegen Korruption zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Spitzenkandidat ist nun Bruder Shehbaz. Das Militär stört sich allerdings weniger an der angeblichen Korruption Sharifs als an dessen Bemühungen, den Einfluss der Generäle einzudämmen.
Die PML-N ist eine Volkspartei. Der Politklan der Sharifs hat seine Basis in der Provinz Punjab, der bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Region des Landes.
Meinungsumfragen sagten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen PML-N und der PTI der Kricket-Legende Imran Khan voraus. Er ging als Kapitän der Kricket-Nationalmannschaft, die er 1992 zur Weltmeisterschaft führte, in die nationale Geschichte ein. Viele Jahre hatte Imran Khan das Image eines Playboys und Lebemannes. Er kokettiert mit dem Ruf als Lieblingskind der übermächtigen Militärs. Das bringe Stimmen, hieß es in seinem Team.
Eine aktuelle Meinungsumfrage vor den Wahlen kam allerdings zu einem anderen Ergebnis. Demnach trauen ganze 5,8 Prozent der Pakistaner den eigenen Streitkräften die Rolle des nationalen Retters zu. 65 Prozent sind hingegen überzeugt, dass nur Zivilisten erfüllen können.
Khans Hauptthema ist der Kampf gegen die Korruption. Es war Khans PTI, die nach den Enthüllungen der „Panama Papers“den Obersten Gerichtshof dazu aufforderte, Untersuchungen gegen den damaligen Premier Nawaz Sharif aufzunehmen. Bei den „Panama Papers“handelt es sich um vertrauliche Unterlagen einer Beratungsfirma. Sie beinhalteten Strategien zur Steuervermeidung, aber auch Hinweise auf Geldwäsche. Den Wahlkampf führte Khan mit dem Slogan, er habe „den korruptesten Mann je an der Macht“zu Fall gebracht.
Der Pakistan Peoples Party (PPP) unter Bilawal Bhutto, dem Sohn der ermordeten Ex-Premierministerin Benazir Bhutto, wurde keine Siegchance eingeräumt.
Die Partei könnte freilich eine Schlüsselrolle bei einer Koalition spielen. 170 Sitze gelten als Mindestzahl für eine Mehrheit im 272köpfigen Parlament. Hinzu kommen 60 reservierte Sitze für Frauen und zehn für Minderheiten. Rund 45 Prozent der Wähler sind Frauen. Etwa der gleiche Prozentsatz ist jünger als 35 Jahre. diese Aufgabe