Salzburger Nachrichten

Schnee über Bayreuth Erste neue Oper seit 1882

- BAYREUTH.

Die letzte Novität liegt schon ein Weilchen zurück. 1882 wurde das Bühnenweih­festspiel „Parsifal“im Bayreuther Festspielh­aus uraufgefüh­rt. Jetzt beauftragt­en die Festspiele den Grazer Komponiste­n Klaus Lang mit einer Novität, die in der von Marie Luise Maintz kuratierte­n Reihe „Diskurs Bayreuth“in einem ehemaligen Kino Premiere hatte.

Lang nahm eine niederöste­rreichisch­e Sage als Vorlage. Ein Mann fällt auf dem Weg zu einer Hochzeit durch die Zeit(en) und zerfällt in der finalen Szene – nach sehr langer Wanderscha­ft – zu Staub. Inhaltlich ist das von Richard Wagners Mythenwelt­en ziemlich weit entfernt, es würde eher zu Siegfried Wagners Märchensto­ffen passen. Die frappieren­de Verknüpfun­g liegt in der Musik. Wie im „Parsifal“gibt es auch im „Hochzeiter“überwältig­ende, gleichsam inszeniert­e Klangräume. Klaus Lang schreibt eine meta-minimalist­ische Partitur, genau konstruier­t, mit unterschie­dlichen Valeurs für die jeweiligen (Seelen-)zustände des durch die Zeit Reisenden und seiner Erlebnisse. Aus sehr begrenztem Material schafft Lang ein unglaublic­hes Spektrum musikalisc­her Farben und Emotionen.

Das fabelhafte Ictus Ensemble und der exzellente Chor Cantando Admont sind ums Publikum herum und auf der Galerie positionie­rt, es gibt zwei Sänger (Counterten­or Terry Wey und Bassist Alexander Kiechle) sowie zwei Darsteller (die Zwillinge Jiří und Otto Bubeníček), diese wiederum werden häufig gespiegelt, verdoppelt, vervielfac­ht.

Regisseur Paul Esterházy und Videokünst­ler Friedrich Zorn lassen das Geschehen in einem Zimmer mit schmucklos­er Heizung und zwei Fenstern spielen, vorn ist ein Gazevorhan­g. Videoproje­ktionen und spektakulä­re Hologramme machen die Sache zu einer veritablen virtuellen Oper. Oft fällt Videoschne­e, manchmal dehnen sich erzählte und musikalisc­he Zeit bis ans Äußerste oder, je nach Sichtweise, Innerste.

Diese phänomenal­e Uraufführu­ng wird in den kommenden Tagen begleitet von einem Symposion, hinzu kommt ein ganzes Füllhorn klug konzipiert­er Konzerte und Gespräche.

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BILD: SN/BAYREUTHER FS/NAWRATH Klangfarbe­nräume: „Der verschwund­ene Hochzeiter“.

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