Aus festem Glauben und tiefer innerer Kraft
Starke, nachhaltige Hörerfahrungen in zwei Konzerten der Salzburger Festspiele.
SALZBURG. Wenn man heute das bunte folkloristische Treiben in Spanien in den Wochen vor Ostern beobachtet, kann man sich wohl kaum vorstellen, wie ernsthaft der religiöse Kult im späten 16. Jahrhundert – natürlich nicht ohne den Druck der Inquisition – vonstattenging.
Einen annähernden, aber starken Eindruck davon vermittelte am Dienstagabend in der Kollegienkirche das erste Konzert der Capella Reial de Catalunya und des Instrumentalensembles Hespèrion XXI unter Jordi Savall. Er ist seit Langem deren Leiter und ein ausgewiesener Kenner der frühen spanischen Musik und der volksnahen Kultur im Allgemeinen.
Dieses Konzert und seinen ideologischen Hintergrund hat er zusammen mit der holländischen Philosophin Maria Bartels dramaturgisch vorbereitet und Texte inkludiert, die sich – gelesen von Michael König – auf meditative Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod beziehen.
Musikalisch geleitet wird der Hörer in die Zeit der spanischen Renaissance, zu Tomás Luis de Victorias 1585 veröffentlichtem „Officium Hebdomadae Sanctae“, sein „Offizium für die Karwoche“. Das ist eine Komposition, die von allem gereinigt ist, was weltlich, „profan“hätte sein können.
Anders als bei späteren geistlichen Werken – auch bei den während der „Ouverture spirituelle“zu hörenden „Musikalischen Exequien“von Heinrich Schütz – ist bei Victoria alles Weltliche (und damit auch alles Dramatische) radikal getilgt.
Umso prachtvoller kann sich die Reinheit des Gesangs der Solisten und des klein besetzten Chors entfalten: Alles pur, kein Vibrato weit und breit, bis hin zum wortdeutlichen Kantor von Andrés MontillaAcurero.
Die interessanteste Erfahrung bei dieser Musik der spanischen Gegenreformation: Kein Gramm Aggression schwingt hier mit – anders als später im 19. oder im 20. Jahrhundert; alles ist aufgehoben in einem festen Glauben an die Macht des Geistlich-Katholischen.
Aus ganz anderem Holz geschnitzt war da klarerweise die Musik von Galina Ustwolskaja, deren christlicher Glaube tief in ihrer Seele verankert war, eingeschreint in einem persönlichen Tabernakel.
Zu hören waren am Dienstag im letzten Konzert des Zyklus „Zeit mit Ustwolskaja“neben Werken aus 1979 und 1983 – den Symphonien Nr. 2 und 3 – auch zwei frühe Kompositionen aus den 1940er-Jahren, als deren Sprache noch viel näher an dem war, was man als „normal“oder gar „konventionell“bezeichnen würde. Aber eben nur zumindest so nahe, dass sie ihrem Lehrer Schostakowitsch gefielen. Im Oktett von 1949/50 für zwei Oboen, vier Violinen, Pauken und Klavier mag man an Strawinsky denken, im Trio für Klarinette, Violine und Klavier überrascht die unkonventionelle, disparate Stimmführung.
Die zwei Symphonien – Werke für größere Besetzung – gehören, schon von den religiösen Namenszusätzen her („Wahre, ewige Seligkeit“und „Jesus Messias, errette uns!“) dem Spätwerk Galina Ustwolskajas an. Beide sehen den Einsatz einer Stimme mit Stöhnen und Sprechgesang vor und greifen, was den Text betrifft, aufs 11. Jahrhundert zurück.
Beeindruckend ist das, wie immer bei dieser Komponistin, und das Gegenteil von dem, was der Renaissance-Komponist Victoria Jahrhunderte zuvor an Wirkung angestrebt hatte. Er stand eben, wenn man das so ausdrücken will, „auf der anderen Seite der Barrikade“.