Wenn Plattformen direkt ins Herz der Wirtschaft vordringen
Früher wurden Geschäfte auf dem Markt oder am Stammtisch gemacht, heute im Internet. Das verändert Gewerbe und Industrie.
Die Welt ist voller Chancen. Allerdings muss man diese nutzen, wenn sie sich bieten. Sonst kann ein Zeitfenster auch schnell wieder zugehen. Das ist gut abzulesen an der wirtschaftspolitischen Misere rund um Facebook, Amazon und Alibaba: Früher haben Viehhändler ihre Geschäfte beim sonntäglichen Wirtshausbesuch gemacht oder Händler am Wochenmarkt. Heute wird im Internet gekauft, ob Waren oder Dienstleistungen, alles per Knopfdruck.
Europa befindet sich allerdings in einer Sandwichposition zwischen den marktbeherrschenden Internet-Plattformen aus den USA und China. Es muss tatenlos zusehen, wie europäische Konsumenten täglich dort einkaufen und ihre Daten verschenken. Leider hat es kein europäisches Unternehmen geschafft, rechtzeitig einen bedeutenden Marktplatz oder soziales Netzwerk für Endnutzer aufzuziehen, wodurch sehr viel Wertschöpfung abfließt. Dieses Versäumnis ist nur schwer wiedergutzumachen, weil in der Plattformwirtschaft Reichweite zählt: je mehr Nutzer, desto mächtiger. Jedoch tut sich eine neue Chance auf.
Die digitale Revolution dringt gerade direkt ins Herz der Wirtschaft vor, das produzierende Gewerbe und die Industrie. Vom Installateur, der sich in einer Region mit Kollegen und verwandten Berufen zusammentut, um eine Online-Störungsplattform mit digitaler Soforthilfe für Heizungs- und Klimaanlagen aufzubauen, bis zum Maschinenbauer, der seinen Kunden die Fernüberwachung und -wartung seiner Maschinen anbietet. Wachstum kommt in Zukunft nicht unbedingt aus dem Verkauf von Waren, sondern intelligenter Zusatzservices.
Das zeigt sich in der Autobranche, wo die Zahl der verkauften Neuwagen laut Prognosen spätestens ab 2023 zurückgehen wird: Dann müssen die Autohersteller gerüstet sein, anstatt Autos an die Konsumenten Lösungen zur Fortbewegung von A nach B zu verkaufen.
Rund um das Schlagwort Industrie 4.0 und neue, digital-analoge Geschäftsmodelle tut sich eine Fülle an Möglichkeiten für produzierende Unternehmen aller Größen auf. Noch hat sich diese Plattform-Welt nicht konsolidiert und bietet Raum für Neues. Derzeit gibt es Tausende kleiner und größerer Plattformen im Produktionsbereich, hinter denen Start-ups, Mittelständler oder, wie im Fall von Cloud-Anwendungen für die Industrie, große Anbieter wie der deutsche Maschinenbauer Trumpf, der Softwareriese SAP, Siemens oder General Electric stehen. Unternehmen müssen sich entscheiden, wo sie künftig digitales Geschäft generieren wollen – ohne Strategie und der Infrastruktur einer Plattform wird es nicht gehen.