EU will die WTO aus ihrem Koma holen
Der Handelsstreit zwischen der EU und den USA könnte die Reform der Welthandelsorganisation in Gang bringen. Oder ihr Aus besiegeln.
BRÜSSEL. Showdown, Schicksalstag oder lockeres Gespräch: Die Erwartungen an den Besuch von JeanClaude Juncker im Weißen Haus waren ziemlich unterschiedlich. Offiziell hatte der EU-Kommissionspräsident keine konkreten Angebote zum Zollstreit mit den USA im Gepäck. Für echte Verhandlungen hatte die Delegation, der auch Handelskommissarin Cecilia Malmström samt ihrem Team angehört, auch kein Mandat.
Ein Punkt bei den Gesprächen mit US-Präsident Donald Trump war aber die von den USA geforderte Reform der Welthandelsorganisation WTO. Laut einem Bericht der deutschen „Wirtschaftswoche“hat die EU-Kommission konkrete Vorschläge dazu unterbreitet. Diese sehen vor, der WTO ein gezielteres Vorgehen gegen Subventionen und erzwungenen Transfer von Technologien zu ermöglichen, wie das in China üblich ist. Zudem sollten die Verfahren zur Streitbeilegung zwischen WTO-Mitgliedern – wie jetzt zwischen EU und USA wegen der US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium – effizienter werden. Die USA blockieren seit Längerem die Bestätigung neuer Richter, womit das Gremium irgendwann entscheidungsunfähig wäre.
Die vor mehr als 20 Jahren in Nachfolge des generellen Zollabkommens GATT gegründete WTO mit mehr als 160 Mitgliedern (darunter mehrheitlich Entwicklungsund Schwellenländer) ist seit Jahren im Schussfeld. Nachdem das Einstimmigkeitsprinzip Fortschritte beim Abbau von Handelsbarrieren verhinderte – zur Freude von Globalisierungsgegnern –, begannen sich vor allem die EU und die USA vor mehr als zehn Jahren auf bilaterale Abkommen zu verlegen. Beispiele sind das EU-Japan- oder auch das EU-Kanada-Abkommen CETA ebenso wie das derzeit auf Eis gelegte EU-US-Abkommen TTIP. Nach WTO-Regeln sind solche zwischenstaatlichen Verträge möglich, weil das grundsätzliche Ziel der Organisation mit Sitz in Genf ist, den Welthandel so weit wie möglich zu liberalisieren. Auch eine Abschaffung sämtlicher Zölle auf Autos in Länder mit großer Fahrzeugindustrie wäre WTO-kompatibel. Die Ideen werden in der EU gewälzt, um Trump von der Einführung von höheren Zöllen auf europäische Autos abzuhalten.
Bei den WTO-Schiedsgerichtsverfahren schlägt die EUKommission vor, die Zahl der Richter von derzeit sieben auf neun zu erhöhen und diese als Vollzeitkräfte zu engagieren. Außerdem sollten Fälle binnen 90 Tagen entschieden werden, außer beide Parteien einigten sich auf eine Verlängerung. „Das Berufungsgericht ist nicht perfekt“, sagte Malmström zu Wochenbeginn. Aber um die Verzerrungen im Handelssystem wirklich anzugehen, brauche es ein Streitschlichtungsgremium, das die Regeln auch durchsetzt.