Genschere wird nicht allgemein freigegeben
Das Urteil der obersten EU-Richter ist vor allem für Vertreter der Forschung und der konventionellen Landwirtschaft enttäuschend.
SALZBURG. Kritiker jubeln, Befürworter sind enttäuscht. Es hätte auch umgekehrt sein können, denn die Entscheidung war allein aus fachlich-wissenschaftlicher Sicht nicht einfach zu fällen: Am Mittwoch haben die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) festgelegt, dass Pflanzen – und auch Tiere –, deren Erbgut mithilfe der sogenannten Genschere verändert wird, unter die strengen Regeln des Gentechnikgesetzes fallen. Nahrungsund Futtermittel, die mit dieser Methode entstanden sind, unterliegen der Kennzeichnungspflicht. Für den Anbau gelten Sicherheitsvorschriften.
Konsumenten können aufatmen, denn in den meisten Ländern der EU wollen Verbraucher keine Produkte kaufen, die in irgendeiner Weise in die Nähe gentechnisch verändernder Verfahren kommen. Im Jahr 1997 haben sich in einem Volksbegehren rund 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher gegen die Verwendung von Gentechnik bei Lebensmitteln ausgesprochen. Seitdem hat sich an dieser Einstellung wenig geändert. „Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist eine richtungsweisende
Sebastian Theissing, Greenpeace
Entscheidung. Jetzt herrscht endlich Klarheit“, sagt etwa Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher bei Greenpeace Österreich. Damit müssten diese Produkte in einer Risikobewertung auf Herz und Nieren geprüft werden, bevor sie auf den Markt gelangten.
Florian Faber, Geschäftsführer der ARGE Gentechnik-frei, schließt sich dem an: Das Urteil sei ein „enorm wichtiger und richtiger Schritt in Richtung Stärkung und Absicherung der in Europa immer bedeutender werdenden Gentechnik-freien Produktion“. Zur ARGE gehören etwa Vertreter des Lebensmittelhandels, der Milchwirtschaft, von Bäckereien, Fleischereien, Gemüseproduzenten sowie kleine Einzelvermarkter und Umweltverbände.
Landwirte sehen das Urteil je nach Art ihrer Bewirtschaftung. Unter den Biobauern finden sich nur sehr wenige Befürworter der Freigabe. Diese würden sich von Sorten aus dem Genlabor einen Beitrag zu ökologischerer Landwirtschaft erhoffen. In der konventionellen Landwirtschaft war hingegen die Hoffnung auf Freigabe und damit auf neue, effiziente und günstige Zuchtmethoden groß.
Enttäuscht sind auch Wissenschafter wie der Pflanzengenetiker Josef Glößl von Universität für Bodenkultur Wien, der das Urteil für sachlich nicht begründbar hält. Aus der Sicht der Forschung ist das verständlich, denn das Verfahren mit der Genschere, Crispr/Cas9 genannt, ist weder eine klassische Methode der Gentechnik, bei der Fremdgene eingeschleust werden, noch entspricht es der traditionellen Zucht, denn mit der Genschere kann man Erbgutabschnitte austauschen und so gezielt Mutationen auslösen. Dieser Zwiespalt hat das Urteil erschwert.
In den USA gibt es ihn nicht: Auf dem Acker ist eine Sojabohne getestet worden, die extra viel gesunde Fettsäuren produziert. Auch ein Champignon, der nach dem Anschneiden keine braunen Schnittstellen bekommt und somit länger haltbar ist, ist marktreif. Zudem arbeitet man daran, Reisbräune beim Reis und Mehltau beim Weizen zu vermeiden. Bei Nutztieren will man Rinder ohne Hörner züchten oder Schweine, die gegen die Afrikanische Schweinepest resistent sind.
„Das Urteil des Gerichtshofs ist richtungsweisend.“