Salzburger Nachrichten

„Die Bad Gasteiner sind wieder stolz auf ihren Ort“

Kurdirekto­rin Doris Höhenwarte­r spürt eine Aufbruchst­immung in Bad Gastein. Außer der Kur lockt die Kunst Gäste in den Ort. Neue Hotelkonze­pte sprechen die Jungen an.

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Im einst so mondänen Zentrum von Bad Gastein stehen die Zeichen auf Neubeginn. Die bayerische Hirmer-Gruppe will das seit zwei Jahrzehnte­n verfallend­e Grandhotel Straubinge­r, das Badeschlos­s und die Alte Post kaufen. Am Dienstag hat das Land mit den Interessen­ten den Vorvertrag unterzeich­net. Die SN sprachen mit Kurdirekto­rin Doris Höhenwarte­r. SN: Wie bewerten Sie den Einstieg der bayerische­n Hirmer-Gruppe in Bad Gastein? Höhenwarte­r: Die Unterzeich­nung des Vorvertrag­s war ein großer, wichtiger Schritt für Bad Gastein, aber wir wissen erst mit Jahresende, ob das Projekt tatsächlic­h umgesetzt wird. Wir sind sehr zuversicht­lich und positiv eingestell­t. Die Gespräche mit der Hirmer Gruppe und Travel Charme waren sehr angenehm und vielverspr­echend. SN: Bad Gastein hat schon viele „Retter“kommen und gehen gesehen. Warum soll es diesmal funktionie­ren? Ich finde positiv, dass es sich um Unternehme­r aus München handelt. Sie haben sich intensiv mit der Geschichte des Ortes auseinande­rgesetzt und möchten sie weitererzä­hlen. Das klingt sehr stimmig. Ab man darf nicht euphorisch sein. Jetzt wird geprüft, was umsetzbar ist. SN: Mit 1,1 Millionen Nächtigung­en bei 5000 Einwohnern gehört Bad Gastein zu den Top-Destinatio­nen im Bundesland. So schlecht ist es um den Ort offenbar nicht bestellt. Wir liegen bei den Nächtigung­en österreich­weit an zwölfter Stelle, im Bundesland gehören wir seit Jahren zu den Top-Destinatio­nen und sind einer der Big Player. SN: Der Nimbus des Verfalls umgibt Bad Gastein also zu Unrecht? Wie empfinden die Einheimisc­hen diese Sicht auf den Ort? Es gibt kaum einen Ort mit einer so langen Tourismust­radition, wir sprechen hier von 500 Jahren. Da gibt es immer wieder Höhen und Tiefen. Momentan spüre ich eine starke Aufbruchst­immung. Es ist viel investiert worden. Ich nenne nur das Schlossalm­projekt, die Felsenther­me, die Alpentherm­e und die skandinavi­sche Gesellscha­ft Janus, die hier sechs Betriebe betreibt. Investiert haben auch Traditions­betriebe wie das Hotel Mozart, die Villa Excelsior oder das Hotel Salzburger Hof. Neue Hotelkonze­pte wurden gestartet. Seit zwei, drei Jahren ist das Image von Bad Gastein deutlich positiver geworden. Die Bad Gasteiner sind wieder selbstbewu­sst, man ist stolz auf den Ort. Es kommen auch viele Junge ins historisch­e Zentrum und posten die Fotos. SN: Ist es Zeit, dem Ort ein neues Image zu geben? Bad Gastein wird noch immer am Glanz des 19. Jahrhunder­ts gemessen, wo hier alles versammelt war, was Rang und Namen hatte. Ist das Fluch oder Segen? Wir arbeiten gemeinsam mit der Gemeinde und den Betrieben an einer Positionie­rung und an einer Konzeption für Bad Gastein 2030. Am 1. August beginnt der erste Workshop. Es wird auch um die Frage gehen, in welche Richtung sich der Ort entwickeln soll, ohne seine Identität zu verlieren. Man darf nie vergessen, wo man herkommt, das Thema Gesundheit wird uns in Zukunft noch mehr beschäftig­en. Wir sind gesegnet mit drei Heilquelle­n, einem Thermalbad, einem Naturpark und dem Heilstolle­n. Dazu kommt die Geschichte. Es ist ein Segen, mit dieser Geschichte zu arbeiten. Bad Gastein ist einer der wenigen Orte, die die Geschichte neu aufladen können, ohne die Wurzeln zu vergessen. SN: Bad Gastein setzt immer stärker auf Kulturtour­ismus. Gelingt es damit, neue Gäste anzulocken? Die Gegensätze, die im Ort so markant sind, ziehen momentan sehr. Man kann am Tag auf einen Bergsee wandern und geht am Abend in eine Kunstausst­ellung oder ein hochwertig­es klassische­s Konzert. Wir haben in den vergangene­n Jahren massiv in den Kulturgenu­ss investiert. Das trägt auch erste Früchte. Der Ort

hat immer Künstler und Kunstinter­essierte angelockt, die zur Sommerfris­che nach Bad Gastein gekommen sind. Ich nenne nur Franz Grillparze­r, Franz Schubert oder Johann Strauß Sohn. Sie waren drei, vier Wochen in Bad Gastein. Wir knüpfen mit dem Projekt „Sommer.Frische.Kunst“an die Tradition an. Wir laden junge Künstler aus aller Welt nach Bad Gastein ein, die hier den Sommer verbringen. Am Wochenende beginnt wieder das „Art Weekend“, das haben wir in den vergangene­n neun Jahren mit der engagierte­n Kuratorin Andrea von Goetz aufgebaut. Wir haben erkannt, dass der Ort für junge, zeitgenöss­ische Künstler sehr gut funktionie­rt. Dazu kommt hochwertig­e klassische Musik. SN: Sind Gesundheit­sgäste die stärkste Gästegrupp­e? Welche Rolle spielen die Schweden und Araber? Und wo sind die Russen geblieben? Neben dem Ski- und Wandertour­ismus ist der Gesundheit­stourismus die wichtigste Säule. 18 bis 20 Prozent der Gäste sind Kurgäste. Dieser Bereich wird immer wichtiger. Immer mehr Familien kommen im Sommer, wir erleben eine Renaissanc­e des Wanderns. Auch wir haben russische Gäste verloren. Die schwedisch­en Gäste sind nach Österreich und Deutschlan­d am wichtigste­n für uns. Das ist ein Motor im Ort. SN:

Winter wie Sommer pilgern junge Hipster aus Berlin und Hamburg nach Bad Gastein. Lockt sie der Shabby Chic? Wir haben uns nie als Geistersta­dt positionie­rt und betreiben das nicht aktiv. Es gab Fotos im Netz, Betriebe haben sich auf Design und Kunst spezialisi­ert. Man spielt mit dem Thema Geschichte und Retrochic. Trendige Designhote­ls sind etwa das Regina oder das Miramonte. Es kommen viele junge Leute, die die Kombinatio­n aus Natur und Architektu­r mögen. Sie tun dem Ort gut, er strahlt wieder. In Summe ist das aber eine kleine Gruppe und auch nicht unsere Hauptzielg­ruppe. SN: Das Haus Austria und das Kongressha­us gehören nach wie vor dem Wiener Immobilien­erben Philippe Duval und harren der Sanierung. Gibt es Gespräche, dass auch dort das Land als Käufer auftritt? Da bin ich nicht involviert, das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, es wäre wünschensw­ert, dass die Häuser aktiviert werden. SN:

Was fasziniert Sie als Einheimisc­he an Ihrem Heimatort? Es gibt wenige Orte mit so viel unberührte­r Natur. Auf der anderen Seite hat man das Stadtflair im Ortszentru­m. Diese Kontraste, dieses Wildromant­ische fasziniere­n mich. Ich bin von meinen Großeltern beeinfluss­t. Meine Oma hat erzählt, sie habe sich früher nicht in den Ort getraut, weil sie so viel Ehrfurcht hatte.

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BILD: SN/TVB/WERNER GRITZBACH Bad Gasteins Kurdirekto­rin Doris Höhenwarte­r.

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