Prinzessin Salome und ihr erstes Opfer
Vor der heutigen offiziellen Eröffnung der Salzburger Festspiele beleuchtet die Präsidentin deren europäische Dimension.
Narraboth (Julian Prégardien) hat sie „zu viel“angesehen. Schreckliches wird geschehen. „Salome“von Richard Strauss – mit Asmik Grigorian in der Titelpartie – wird Samstag die zweite Opernpremiere der Salzburger Festspiele. Zuvor kommt heute, Freitag, eine neue „Zauberflöte“heraus.
SN: Die dritten Salzburger Festspiele unter einem EU-Vorsitz heben an – nach 1998 und 2006. Wie wirkt sich das aus? Durch den Besuch besonders vieler europäischer Diplomaten und Politiker. Wir erwarten den portugiesischen Staatspräsidenten. Aus Brüssel kommen zur Eröffnung alle EU-Botschafter der Mitgliedsländer (der so genannte Coreper ist die – nach nationalen Ministern – höchste Formation im EU-Rat, Anm.). Das freut mich, weil die Salzburger Festspiele bereits in ihrer Gründungsphilosophie als Plattform der Begegnung gedacht waren. SN: Kommt auch die britische Premierministerin, Theresa May? Offensichtlich, aber ich kommentiere die Gästeliste nie. Man schätzt die Diskretion der Festspiele. Und über inoffizielle Besuche reden wir gar nicht. SN: Also Privatbesuche, wie jener von Frau Merkel? Ja, Frau Merkel kommt jedes Jahr. SN: Kommt zu Eröffnung kein Kommissionspräsident, nicht einmal der Kulturkommissar? Kein Ratspräsident? Kein Parlamentspräsident? Nicht, dass ich davon wüsste. Aber ich organisiere keinen EU-Gipfel. So viel ich höre, beginnt die Hauptarbeit beim EU-Vorsitz nach der Sommerpause der Brüsseler Institutionen, also ab September. SN: Aber es kommen zur Eröffnung auch Landeshauptmann, Bundespräsident, Bundeskanzler, viele Minister. Ebenso wäre doch für die Salzburger Festspiele, in Anbetracht ihrer europäischen Dimension, ein EU-Vertreter angemessen. Die Festspiele und ich als Präsidentin sind nicht für Staatsbesuche zuständig. Politiker einzuladen obliegt der Bundesregierung. Wir als Salzburger Festspiele machen ein Angebot, wollen aber keine Pflichtveranstaltung für Politiker sein, sondern – um mit Gründer Max Reinhardt zu sprechen – eine Pilgerstätte für all jene, denen Kunst und Kultur Lebensmittel sind. Außerdem haben wir kein Problem, die Karten zu verkaufen. Es zeichnet sich ein neuer Rekord ab. SN: Wie europäisch ist Ihr Publikum? Ich möchte hier ein Bild wagen: Festspiele als Epizentrum des Besonderen, so beschreibt Intendant Markus Hinterhäuser unsere Existenzberechtigung. Ein Epizentrum verursacht Wellen bis in die fernsten Winkel. Selbstverständlich sind die Besucher aus Österreich und aus den Nachbarländern die stärkste Gruppe, aber die Auswirkungen reichen bis Tokio, Seoul und Sydney. SN: Haben Sie eine Aufstellung nach Herkunftsländern – für Kartenkauf oder Mitgliedschaft im Verein der Freunde? Wir wissen nur, wer Karten kauft, aber nicht, wer tatsächlich die Vorstellung besucht. Viele Ausländer kaufen bei österreichischen Kartenbüros, einige Österreicher kaufen für ausländische Freunde.
Die Salzburger Festspiele sind nicht nur von der Gründungsidee, sondern auch von ihrer Besucherschaft her europäisch. Darum beschäftigt es mich nicht so wie Sie, ob das offizielle Europa da ist. Die Bürger Europas haben per Abstimmung durch ihren Besuch längst klar gemacht, die Salzburger Festspiele sind unser aller Festspiele. SN: Was ist das Europäische in der Gründungsidee? Festspiele als europäisches Friedensprojekt, schlug Max Reinhardt 1917 in seinem Brief dem k.u.k Theateramt vor, also noch mitten im Ersten Weltkrieg. Eric Hobsbawm hat das markant gesagt: Die Salzburger Festspiele seien „aus dem Todesröcheln der Monarchie“entstanden. Dies ist daher auch der Titel für den ersten Tag unseres Symposiums im Gedenkjahr 1918/1938. SN: Reinhardt und Hofmannsthal haben aber aufgegriffen, wofür längst ein Boden bereitet gewesen ist: Mozart. Max Reinhardt hat in Salzburg eine starke Mozartgemeinde vorgefunden. Und ohne deren Leitfigur Lilli Lehmann hätte es die Salzburger Festspiele nie gegeben. Immerhin wurde dank ihres Einsatzes 1914 das Mozarteum (an der Schwarzstraße, Anm.) eröffnet. Der dortige Große Saal ist heute noch für uns einer der wichtigen Konzertsäle, für mich der schönste. Lilli Lehmann hatte Angst, dass der Mozartgedanke verwässert werde, weil Hofmannsthal und Reinhardt sagten: Oper und Theater, von beiden das höchste. Es sollten Mozart wie Gluck, Shakespeare wie Molière Platz haben. SN: Auch ohne Mozarteum macht Mozarts Werk ein Stück der DNA der Salzburger Festspiele aus. Er war der perfekte Europäer. Er wollte seine Musik überall aufführen, er wäre auch gerne in Mailand geblieben, hätte der Sohn Maria Theresias nicht den Mailändern gesagt, dass sie die Mozarts viel zu teuer kämen. Mozart war ein Drittel seines Lebens in Europa unterwegs.
„Mozart war der perfekte Europäer.“ Helga Rabl-Stadler, Präsidentin