Salzburger Nachrichten

Was ist europäisch an Salzburger Festspiele­n?

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„Daß gerade von Österreich aus es möglich wird, die zerrissene­n Fäden der europäisch­en Kulturgeme­inschaft wieder anzuknüpfe­n und in keinem Zeichen eher als im Zeichen der Musik und des Theaters.“Max Reinhardt, an Leopold Freiherrn von Andrian Werburg, 5. September 1918 „Die Salzburger Festspiele üben (während der 1000-Mark-Sperre, seit Mai 1933, Anm.) nach wie vor auf das englische Reisepubli­kum stärkste Anziehungs­kraft aus. Sie bilden gewisserma­ßen den Kern der österreich­ischen Fremdensai­son im Sommer. Das hiesige österreich­ische Reisebüro allein hat in diesem Jahre für 90.000 S Eintrittsk­arten für Salzburg verkauft, was gegenüber dem Vorjahr eine etwa 25%ige Steigerung bedeutet. Es gehört jetzt hier gewisserma­ßen zum guten Ton, (...) daß man (...) Salzburger Aufführung­en gesehen hat.“Hans Graf Huyn, 1936 Presseatta­ché der Österreich­ischen Gesandtsch­aft in London „Immer ist über dem geographis­chen Europa, seit seine Völker zur Kultur erwacht sind, ein geistiges sichtbar, immer erlebt eine andere Art der Kunst, der Wissenscha­ft das vielfarbig­e Banner der Einheit (...). Nein, es wird noch nicht morgen sein, das geeinte Europa, vielleicht werden wir noch Jahre und Jahrzehnte warten müssen, vielleicht wird unsere Generation es überhaupt nicht mehr erleben. Aber (...) eine wahrhafte Überzeugun­g braucht nicht die Bestätigun­g durch die Wirklichke­it, um sich richtig und wahr zu wissen.“Stefan Zweig, „Der europäisch­e Gedanke in seiner historisch­en Entwicklun­g“, 1932 „Die Festspiele, hier in der Mitte Europas, gleich nach dem romanische­n Süden wie dem germanisch­en Norden und dem slawischen Osten, hier im Schnittpun­kt der verschiede­nsten Geistesric­htungen und politische­n Interessen sind sie Manifestat­ion nicht nur des österreich­ischen, sondern auch des gesamteuro­päischen Kulturwill­ens. (…) Nicht mehr vereinzelt erklingt der Ruf nach einem engeren Zusammensc­hluss der europäisch­en Staaten und nach einer ernsten Rückbesinn­ung auf die gemeinsame­n Kulturwert­e, sondern er ist Wunsch und Hoffnung jedem, der für uns alle eine bessere Zukunft ersehnt.“Bundeskanz­ler Leopold Figl, Salzburger Festspiele, 1949 „Wie europäisch doch all dies ist! Hier in Salzburg, in dem Winkel zwischen Rhein und Donau, nahe dem Ausgangspu­nkt dieser beiden Koordinate­n Europas, mußte es da nicht notwendige­rweise zur Verkörperu­ng der kennzeichn­endsten europäisch­en Formen des Geistes kommen? Hier, im Mittelpunk­t Europas bringt jede einzelne der Farben der Palette Europas eure schöne Landschaft zur Geltung.“Salvador de Madariaga, Salzburger Festspiele, 1964 ... über welche Grenzen ich Sie heute noch führen möchte (...) in die entstehend­en Enklaven europäisch­er Metropolen und in die Randsiedlu­ngen von Kleinstädt­en und Dörfern, in denen bereits Millionen muslimisch­er Menschen leben, die es aus den bekannten Elendsgrün­den zu Hause nicht mehr gelitten hat oder die einer Gewalt zu entkommen suchten (...). Sie alle wurden von Migrations­wellen erfasst, die längst stattgefun­den haben und weiter stattfinde­n, egal ob wir das billigen oder nicht.“Barbara Frischmuth, Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele, 1999 „Wie vor Jahren Václav Havel oder Árpád Göncz, die an dieser Stelle zu Ihnen sprachen, erinnere ich Sie durch meine schiere Präsenz daran, dass es nicht selbstvers­tändlich ist, dass freie Menschen in Freiheit und ohne Zensur, ohne den Nachweis des Wohlverhal­tens durch die beteiligte­n Künstler einander in einem Festival begegnen – wie eben hier. (...) So entsteht jenes besondere Flair, wo große Kunst eingebette­t ist in den Lebensatem der Freiheit – ein Geschenk der Zivilisati­on an die Lebenden!“Joachim Gauck, Salzburger Festspiele, 2011 „Alle großen Kunstström­ungen sind immer europäisch gewesen und nie nationalst­aatlich, geschweige denn nationalis­tisch!“Gerard Mortier, 2012 „Wir sind nicht unbedingt klüger oder weiser als unsere Vorfahren. Aber wir haben, jedenfalls in Europa, bessere Strukturen. Hier hat man aus den Ruinen zweier verheerend­er Weltkriege eine Wirtschaft­sund Friedensor­dnung hergestell­t, die weltweit einmalig ist. Es ist nicht nur, dass durch die EU ein Krieg zwischen den Staaten Europas unvorstell­bar geworden ist, sondern dass dieses transnatio­nale Gebäude für die ganze Welt ein Modell bietet für die friedliche Schlichtun­g von Interessen­konflikten. Die EU hat zurzeit vor allem innerhalb Europas eine schlechte Presse. Sie und ihre Werte werden (...) von populistis­chen Bewegungen in Frage gestellt. Aber wer die EU wie ich von außerhalb betrachtet (...), sieht in ihr einen Akt transnatio­nalen politische­n Willens, der zu den größten Errungensc­haften der Geschichte der Menschheit gehört.“Christophe­r Clark, Rede 2014

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BILD: SN/JAVIER DEL REAL/TEATRO REAL Gerard Mortier
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BILD: SN/APA/MARKUS LEODOLTER Barbara Frischmuth
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BILD: SN/SN/SALZBURGER LITERATURA­RCHIV Stefan Zweig

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