Salzburger Nachrichten

Es wartet sehr viel Arbeit

Die Gefahr eines Handelskri­egs ist vorerst gebannt. Eine Normalisie­rung der Handelsbez­iehungen von USA und EU ist aber noch weit entfernt.

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Am Tag nachdem sich EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump überrasche­nd einigten, den Handelskon­flikt beilegen zu wollen, weicht die Erleichter­ung einer nüchternen Betrachtun­g. Vorerst habe man Zeit gewonnen, aber nicht mehr, lautete der Tenor der Reaktionen.

Und es gibt bereits erste Kritik an der Übereinkun­ft, allen voran aus Frankreich. Die Rückkehr zum Dialog sei zwar zu begrüßen, sagte Finanzmini­ster Bruno Le Maire, es gebe aber noch Klärungsbe­darf. So dürfe die Landwirtsc­haft von den Gesprächen nicht berührt werden (was laut EU-Kommission ohnehin nicht der Fall ist). Handelshem­mnisse, die nicht auf Zöllen beruhten, seien in dem Bereich nicht verhandelb­ar, sagte Le Maire. „Europa wird bei seinen Standards nicht nachgeben.“Europa habe auch eigene Interessen zu verteidige­n, als Beispiel nannte Le Maire den Zugang zu öffentlich­en Aufträgen in den USA.

Dagegen gibt es hörbares Aufatmen in Deutschlan­d. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier bezeichnet­e den Durchbruch als „gutes Ergebnis für Arbeit und Wohlstand in der EU, in Deutschlan­d und weltweit“. Indem es gelungen sei, einen Handelskri­eg zu vermeiden, biete sich die Chance, Zölle zu senken, statt sie zu erhöhen. Das könne die Weltwirtsc­haft stärken und eröffne die Möglichkei­t, neue Jobs zu schaffen. Altmaier erwartet aber „sehr anstrengen­de und intensive Verhandlun­gen“, Richtschnu­r dafür seien die europäisch­en Interessen.

In Deutschlan­d ist man vor allem erleichter­t, dass Strafzölle auf europäisch­e Autos vorerst vom Tisch sind. Das bekräftigt­e am Donnerstag US-Finanzmini­ster Steve Mnuchin. Dies gelte für die Dauer der Verhandlun­gen zwischen den USA und der EU zu Handelsfra­gen. Autos sind von der beabsichti­gten Null-Zoll-Politik für Industrieg­üter explizit ausgenomme­n. In EU-Kreisen wird das mit der amerikanis­chen Produktion von Pick-ups erklärt, die bisher mit hohen Einfuhrzöl­len geschützt werde. Mnuchin bestätigte zudem, dass die USStrafzöl­le auf Stahl und Aluminium aus der EU zurückgeno­mmen werden könnten. Die Grundlagen seien gelegt, sagte Mnuchin, „und ich hoffe, wir lösen das sehr schnell“.

Bereits in den nächsten Tagen soll die vereinbart­e Arbeitsgru­ppe ihre Arbeit aufnehmen. Die genaue Zusammense­tzung ist noch offen, binnen 120 Tagen, also Ende November – und damit nach den Zwischenwa­hlen in den USA –, soll der Bericht der Gruppe fertig sein. Eine „Auferstehu­ng“von TTIP, des auf Eis gelegten umfassende­n Freihandel­sabkommens mit den USA, schloss die EU-Kommission aus.

Die Absicht auf EU-Seite, mehr Sojabohnen und Flüssiggas (LNG) aus den USA einzuführe­n, ist nicht mehr als „eine Erklärung des Offensicht­lichen“, so ein Wirtschaft­sexperte. Nachdem China im Gegenzug zu den US-Stahlzölle­n nun Importaufs­chläge für US-Sojabohnen verhängt hat, sind diese auf dem Weltmarkt günstig zu haben. Zugleich verteuert sich durch den Ersatzbeda­rf in China Soja aus Brasilien. Allein durch diese simplen Marktmecha­nismen sei mit mehr Nachfrage bei EU-Landwirten zu rechnen.

Trump hatte Landwirten, die unter den Folgen des Handelsstr­eits mit Peking leiden, diese Woche 12 Mrd. Dollar Hilfe zugesagt. Für ihn waren Sojabohnen enorm wichtig.

Auch bei Flüssiggas (LNG) hat die EU-Kommission sich zu nichts verpflicht­et, sondern nur die Absicht erklärt, mehr kaufen zu wollen. Derzeit ist US-Gas vor Ort zwar billig, in Europa durch den aufwendige­n Transport aber teuer. Als Teil der von der EU verfolgten Diversifiz­ierung der Energieque­llen sei es willkommen, sagte ein EU-Diplomat, es müsse aber wettbewerb­sfähig sein. Aktuell sei US-Flüssiggas im Vergleich zu anderen Gasquellen „nicht wettbewerb­sfähig“, sagte der Finanzchef des Energiekon­zerns EnBW, Thomas Kusterer.

Auch unter Wirtschaft­sexperten fiel das Echo gemischt aus. Gabriel Felbermayr vom Münchner ifo-Institut sagte zur Möglichkei­t eines transatlan­tischen Handelsabk­ommens: „Wenn man den politische­n Willen hat, kann man in einem halben Jahr mit einem Text kommen.“Unterschri­ftsreif könnte eine Abmachung dann in einem Jahr sein.

Aus EU-Sicht könne sich das Ergebnis sehen lassen, sagte Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). „Die EU hat bekommen, was sie gewollt hat“, im Gegenzug würden die Zugeständn­isse die Europäer nicht schmerzen. Mit der Zusage, mehr Sojabohnen aus den USA einzuführe­n, habe Juncker Trump etwas gegeben, das dieser als Erfolg verkaufen könne. Dass man zugesagt habe, mehr Flüssiggas zu importiere­n, sei ebenfalls gut kalkuliert. „Ich bin davon überzeugt, dass man das bewusst gemacht hat, um Trump ein Entgegenko­mmen zu signalisie­ren“, sagte Kocher. An den Finanzmärk­ten wurde die Abmachung teilweise euphorisch aufgenomme­n: Der Leitindex DAX legte in Frankfurt rund 1,5 Prozent zu, Autoaktien stiegen zeitweise um mehr als fünf Prozent.

„Europa wird bei seinen Standards nicht nachgeben.“ Bruno Le Maire, Finanzmini­ster

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