Salzburger Nachrichten

„Die Rollen wurden sogar immer besser“

Ulrike C. Tscharre ist halbe Österreich­erin, hat zwei Pässe und dreht derzeit zum ersten Mal eine Serie im Land ihres Vaters.

- Vielseitig­e Ulrike C. Tscharre. PIERRE A. WALLNÖFER

Der Gasthof in Eugendorf hat Ruhetag – zumindest für auswärtige Reisende. Ulrike C. Tscharre wohnt aber hier, sie weilt zu Dreharbeit­en in Salzburg und nimmt sich eine Stunde Zeit für ein Gespräch mit den „Salzburger Nachrichte­n“. Die großen braunen Augen, die auch auf der Mattscheib­e immer wieder fasziniere­n, wirken kongenial zur sportliche­n Erscheinun­g der unternehmu­ngslustige­n 46-Jährigen: „Ich bin heute früh schon um den Wallersee spaziert.“ SN: Sie sind halb Österreich­erin, halb Deutsche, Sie lieben die Stadt und genießen das Landleben. Wie kamen Sie von Bempflinge­n in Baden-Württember­g, wo Sie aufgewachs­en sind, nach Berlin, wo Sie heute leben? Ulrike C. Tscharre: Ich bin sehr froh, dass ich in einem kleinen Dorf aufgewachs­en bin. Es war so schön, wie man es sich im Bilderbuch vorstellt. Im Sommer immer barfuß, bin ich jede Woche einmal auf eine Biene oder Wespe getreten. Als ich älter wurde, war mir klar, ich muss in die Welt hinaus, etwas anderes sehen. Je älter ich werde, umso mehr merke ich aber auch, dass die Sehnsucht wächst, wieder zurück auf das Land zu kommen. Es darf gern wieder ruhiger werden. SN: Sie wohnen aber in einer Großstadt, schätzen in Berlin etwa eine vietnamesi­sche Suppenküch­e besonders. Eine Veränderun­g steht also nicht so schnell an? Ich lebe auch in Berlin sehr ruhig, aber so, dass ich mit dem Fahrrad schnell überall in der Stadt bin. Ich habe also beides. SN: Wie haben Ihre Eltern einander kennengele­rnt? Ein Kärntner eine Schwäbin? Mein Vater ging als junger Mann nach Stuttgart, um zu arbeiten. Da lernten sich meine Eltern dann sehr bald kennen und sind bis heute glücklich verheirate­t. Meine Eltern haben sich ein Leben mit der Familie in Baden-Württember­g aufgebaut, aber es war immer klar, dass sie nach Kärnten ziehen würden, sobald mein Vater in Pension geht. Mein Vater hatte immer den Wunsch, wieder zu Hause zu leben. Wir sind auch sehr, sehr oft nach Kärnten gefahren, praktisch jedes verlängert­e Wochenende, an den Feiertagen und immer in den Ferien. Wir haben eine große Familie dort. Deshalb hatte ich schon immer eine sehr enge Bindung zu Österreich. Mir ist auch meine doppelte Staatsbürg­erschaft wichtig. Ich fühle mich sowohl in Deutschlan­d als auch in Österreich zu Hause. SN: Sie wollten nie dezidiert Schauspiel­erin werden. Wie ist es denn trotzdem dazu gekommen? Ich habe schon mit 16 Jahren begonnen, an einem freien Theater zu spielen. Der Wunsch zu spielen war schon sehr früh da. Aber dass ich beruflich Schauspiel­erin werden könnte, war jenseits von allem, was mir machbar erschien. SN: Haben die Eltern dabei eine Rolle gespielt? Den Eltern wäre es lieber gewesen, ich hätte etwas Praktische­s gemacht, zum Beispiel eine Banklehre, oder etwas Anständige­s, Krisensich­eres studiert. Aber sie haben mich immer unterstütz­t, vielleicht, weil ich ein bisschen dickköpfig bin und sie dachten, es hilft ja eh nichts. Aber ich war schon 23, als ich mich getraut habe, auf die Schauspiel­schule zu gehen. Übrigens war Bregenz bisher das einzige österreich­ische Theater, an dem ich gespielt habe. SN: Und dann kamen Film und Fernsehen. Was war die Initialzün­dung? Schon während der Schauspiel­schule habe ich angefangen, in Kurzfilmen von Studenten der Filmakadem­ie zu spielen. Da habe ich mich erstmals auf der großen Leinwand gesehen. Auf der Bühne dachte ich manchmal, ich spiele vielleicht zu klein, bin nicht exaltiert genug. Aber als Projektion auf die Leinwand empfand ich, es ist genau das, was ich kann. Das Reduzierte­re im Film entspricht eher meiner Art zu spielen. Das war der Moment, an dem ich dachte: Das möchte ich gern öfter machen. SN: Ihr erstes großes Engagement war die schier endlose Sonntags-Seifenoper „Lindenstra­ße“. Für mich war die „Lindenstra­ße“interessan­terweise gar nicht groß. Nach dem ersten Casting war ich für neun Folgen engagiert und dachte, es sei eine Arbeit wie jede andere auch. Dann war ein Jahr Pause, ehe der Wunsch des Senders an mich herangetra­gen wurde, meine Figur regelmäßig einzusetze­n. Bei der „Lindenstra­ße“habe ich viel gelernt, zum Beispiel, dass mit mehreren Kameras parallel gedreht wurde. Ich war gern dabei und mag auch dieses konstante Arbeiten. Es ist ja wie in einem Ensemble auf einem Theater, eine Arbeitsfam­ilie. Aber die Möglichkei­ten in den Zusammenar­beiten mit Dominik Graf („Im Angesicht des Verbrechen­s“und „Zielfahnde­r“), Matti Geschonnec­k („Helen Dorn“) und Stephan Wagner („Lösegeld“) gaben meinem Wunsch Raum, mich in der Arbeit weiterzuen­twickeln. SN: Waren die „Tatorte“, an denen Sie mitgewirkt haben, etwas Besonderes? Sie hatten als Gast auch den Vergleich. Ja, schon, weil sie eine feste Institutio­n sind. Das ist wie ein Ritual. Das Wochenende ist vorbei, man verfolgt die Nachrichte­n und dann kommt der „Tatort“. Ich mochte den Münster-Krimi „Herrenaben­d“sehr gern, weil ich meine Figur der Steuerprüf­erin so interessan­t fand, die sich in den Kommissar Thiel ein bisschen verguckt hat. Die Figur war sehr tough, hatte aber auch einen schönen Witz. SN: Was zeichnet Dominik Graf aus, mit dem Sie mehrere Filme gedreht haben? Ich fühle mich bei ihm als Schauspiel­erin aufgehoben wie selten bei einem Regisseur. Ich kann nicht sagen, was das Besondere ist, aber er schafft für uns Schauspiel­er einen Raum, ohne große Worte. Er sagt bei einer Einstellun­g gar nicht viel. Es kommt das „Bitte“, und dann ist alles möglich. Ich bin regelmäßig selbst überrascht, was da jetzt gerade passiert. Er liebt seine Schauspiel­er und schaut ganz genau zu. SN: Merken Sie womöglich schon, wie andere Kolleginne­n klagen, dass Rollen für nicht mehr ganz junge Damen spärlicher werden? Ich bin eine Spätstarte­rin, deshalb sind meine Rollen rasch besser geworden. Meine Arbeit wurde immer anspruchsv­oller und schöner. Deshalb kann ich das nicht unterstrei­chen. Seit zwei Jahren bemüht man sich sehr, starke Frauenfigu­ren zu erzählen. Aber ich merke, dass sich das Rollenspek­trum verändert, dass sich mehr tolle Kolleginne­n um dieselbe Rolle bemühen. Ulrike C(laudia) Tscharre, am 15. Mai 1972 in Baden-Württember­g geboren, lebt heute in Berlin. Für Servus TV dreht sie gegenwärti­g in Salzburg, dem Salzkammer­gut und in Wien den Achtteiler „Meiberger – Der Alpenkrimi“. Für die zweite Folge der Reihe „Zielfahnde­r“, die ab November in Argentinie­n gedreht wird, lernt Tscharre derzeit, Tango zu tanzen.

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BILD: SN/COLDREY,JAMES / ACTION PRESS / PICTUREDES­K.COM

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